abc.etüden (11/1)

Und wieder gab es bei Textstaub am vergangenen Sonntag drei Wörter für das sonntägliche Schreibprojekt:

Fluss
Rost
milchweiß

 

abc.etüden/ Beruf und Leidenschaft (11/1)

Sei Jahrhunderten floss er träge dahin, veränderte sein Bett nur für geübte Kenneraugen und behielt seine tiefen Geheimnisse meistens für sich.

Wie oft war Thomas schon an diesen Fluss gerufen worden und stand jedes Mal erschüttert vor dem, was er preisgab. Taucher beförderten ganze Wagenladungen von Unrat an die Wasseroberfläche, bis hin zu versunkenen Autos, die sich als wahre Rost-Lauben entpuppten.

Früh um sechs hatte man ihn angerufen, an einem Tag, an dem die Frühlingssonne zur Höchstform auflaufen wollte und sich alle menschlichen Sinne der aufbrechenden Natur hingaben. Er stand am Ufer des Flusses, die Hände zu Fäusten geballt und seine Augen füllten sich mit Tränen, als er ihren makellos schönen, milchweißen nackten Körper betrachtete. Ein gezielter Schuss mitten ins Herz hatte dieses junge Leben brutal ausgelöscht und wie eine Kerze ausgeblasen.

Er sah zum wolkenlosen Himmel hinauf, damit der Kollege, der auf ihn zueilte, seine Tränen nicht sah. Und wie immer in solchen Fällen schaffte sich sein Ehrgeiz einen Raum, dieses Schwein zu finden und möglichst für immer hinter Gitter zu bringen.

Er hatte keine Zeit zu verlieren.

abc.etüden (10)

Das sonntägliche Schreibprojekt von Textstaub,

heute mit den Worten von findesatz:

Murmel, Habseligkeiten, Zaunkönig

 

abc/etüden/ Erkenntnis

Es war zum Verrücktwerden – der Zeiger der Uhr rannte vorwärts und er stand immer noch vor seinem Kleiderschrank und betrachtete seine Habseligkeiten, von denen nur ein verschwindend kleiner Teil das Passende für eine Beerdigung war.

Was war nur aus ihm geworden! Sein Bauch hatte die Form einer Murmel angenommen, er war auseinander gegangen wie ein Hefekuchen.

Er wusste auch warum! Seitdem er das Rauchen aufgegeben hatte, brauchte er seine Ersatzbefriedigung und die gönnte er sich häufig in Form einer Tafel Schokolade.

Das konnte so nicht weitergehen, aber nun musste er etwas finden, was ihn heute und für die kommenden paar Stunden für eine Beerdigung tauglich aussehen ließ.

Und dann hatte er die rettende Idee. Auf dem Dachboden hatte er noch Hosen aus einer früheren Zeit, als sein Körpergewicht dem jetzigen ähnlich war und dort wurde er fündig.

Als er sich eine Stunde später im Spiegel betrachtete, fand er sich ganz passabel, zumindest für den bevorstehenden Anlass.

Im Spiegel des Schrankes entdeckte er den Zaunkönig auf der Fensterbank, der ihn scheinbar die ganze Zeit betrachtet hatte, als wollte er sagen: Ihr habt Sorgen!!!

 

Wahrheit

Mitunter sind es die Folgen
der Unwahrheit
die uns auf den Weg
der Wahrhaftigkeit
zwingen

denn
nur die Wahrheit
befreit

© Margot Bickel

Wahrheit

Ich möchte die Wahrheit glauben.
Doch welche ist die wahre Wahrheit?
Die, die ich mir zurechtlege,
weil sie mir angenehm ist?
Die, deren Inhalt ich begreife
und die mein Bauchgefühl bejaht?

Wahrheit ist manchmal
wissenschaftlich beweisbar,
doch manchmal ist das wahr,
was ich glaube,
ohne Beweis,
aus meinem Bauchgefühl heraus.

© Text und Foto: G. Bessen

Dazu ein lesenswerter Beitrag vom finbar .

abc.etüden EXTRA

Das Textstaub-Projekt für die Woche
Aus 6 Wörtern werden 3 erwürfelt
und dazu eine Geschichte geschrieben.

Wie gehabt die Regel:
Maximal 10 Sätze

Meine erwürfelten Wörter sind: Galerist-Lektor-Rettung

abc.etüden EXTRA /Existenzen

Als Galerist hatte er versagt, komplett.

Seine Bilder trafen nicht den Zahn der Zeit, sie hingen und standen überall herum und eine leichte Staubschicht machte sich auf ihnen breit.

Doch er hatte  die rettende Idee.

Nachdem er den Kurs „ Die Kunst des Schreibens“ erfolgreich absolviert hatte, packte ihn der Ehrgeiz.

Sein erster Kriminalroman floss ihm nur so aus der Feder.

Die Charaktere, erst eine diffuse Idee, nahmen Formen an, die Handlung erfüllte  Raum und Zeit.

Sein Lektor war bisher sehr zufrieden mit ihm.

In seinen kühnsten Träumen sah er sich nach einer Buchlesung vor einem begeisterten Publikum  als neuer aber erfolgreicher Krimiautor am Tisch sitzen und mit seinem Füller die gekauften Bücher signieren.

Dazu war er geboren, das war seine Berufung.

Das war seine Rettung.

 

abc/etüden (9.1)

Die drei Worte vom gestrigen Schreibprojekt bei  Textstaub.
Hängematte, Urteil, Meeresfrüchte

abc.etüden/Es lässt sich nichts erzwingen

Hinterher konnte er nicht mehr sagen, worüber er sich mehr erschrocken hatte. War es der unglückliche Sturz mit seiner Hängematte, deren eines Ende sich heimtückisch aus ihrer Befestigung gelockert hatte oder war es der frisch zubereitete Meeresfrüchtesalat, der sich erbarmungslos über seinem Gesicht und seine Haare verteilt hatte?

Zum Glück konnte er sein Handy noch aus der Hosentasche angeln und seine Schwester verständigen. Als sie mit ihrer schweren Maschine knatternd vor seinem Gartentor hielt, durchzuckte ihn ein Gefühl der Erleichterung, denn sie würde ihn vor dem sicheren Tod bewahren.

Seine Freude währte nicht lange, denn sein Sturz mitten auf den Rücken hatte schwerwiegende Folgen. Nun lag er in der Rettungsstelle des Krankenhauses und wartete auf das Urteil der beiden Ärzte, die gemeinsam vor seinen Röntgenbildern standen und diskutierten.

Wieder einmal bestätigte sich seine Philosophie, nach der er eigentlich konsequent lebte, die ihn aber an diesem Tag verlassen hatte.

Die ersten warmen Sonnenstrahlen hatten ihn leichtsinnig gemacht, so dass es ihn in den Garten trieb und er lediglich nach anstrengender Gartenarbeit eine Stunde Mittagspause in seiner geliebten Hängematte verbringen wollte.

Es ließ sich nichts erzwingen.

Wenn er Pech hatte, würde er den Frühling im hiesigen Krankenhaus statt in seinem Garten verbringen….

abc.etüden (9)

Und es ist wieder Sonntag,
Zeit für das Schreibprojekt von Textstaub.
Heute mit den drei Worten:

Hängematte, Urteil, Meeresfrüchte

 

 

abc.etüden/Zu früh gefreut

Das Urteil war nun rechtskräftig und sie atmete tief durch.

In einer Stunde ging ihr Flugzeug nach Palma de Mallorca  und dann hatte sie Ferien für den Rest ihres Lebens.

Sie stellte ihren schwarzen Koffer vorsichtig auf das Gepäckband am Abfertigungsschalter, ihr rotes Bordcase behielt sie in fest der Hand.

Ihr blieb noch Zeit für einen Espresso und mit einem, für die anderen kaum sichtbaren Augenzwinkern, begrüßte sie ihren Freund, der in sicherer Entfernung von ihr wartete.

Ein wenig mussten sie dieses Versteckspiel noch durchhalten, doch heute Abend schon würden sie nach einer Portion Spaghetti mit Meeresfrüchten gemeinsam in der Hängematte  liegen und sich köstlich darüber amüsieren, dass sie der deutschen Justiz wieder mal ein dickes Ei ins Nest gelegt hatten.

„Bitte, stellen Sie Ihre Tasse ab und kommen Sie in Ihrem eigenen Interesse unauffällig mir uns.“

Sie erstarrte.

„Was wollen Sie von mir?“

„Es haben sich kurzfristig neue Erkenntnisse ergeben, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens notwendig machen.“

Adios, Mallorca, adios, Freiheit!

abc.etüden(8.1)

Das Sonntagsprojekt von Textstaub

3 vorgegebene Wörter, daraus eine Kurzgeschichte mit  maximal 10 Sätzen schreiben

aktuelle Wörter vom  letzten  Sonntag:

Sternenwandern-fliederfarben-Bruchstücke

abc.etüden/Der Brautstrauß

Annamaria  liebte alle Farbtöne von fliederfarben bis dunkellila. Und sie liebte es, Hochzeiten  zu feiern, denn tief in ihrem Inneren erhoffte sie, ihren Traummann bei einer Hochzeitsfeierlichkeit zu treffen und zu erobern.

Zur Hochzeit ihrer Freundin Svenja trug sie ein zart fliederfarbenes Etuikleid und einen dunkellila Hut, Handtasche und Schuhe passten selbstverständlich farblich zum Hut.

Hochzeit feiern war für sie  wie Sternenwandern und sie freute sich ganz besonders, dass sie bei Svenjas und Marcs Hochzeit singen durfte, all das, was sie sonst berufsmäßig bei Hochzeiten zum Gelderwerb sang. Bei dieser  Feier, mitten im Wonnemonat Mai, war sie zweihundertprozentig dabei und holte alles aus ihrer mitreißenden Stimme heraus.

Die Zuhörer hingen wie gebannt an ihren Lippen, selbst der sie begleitende Pianist konnte seine Augen nicht von ihr lassen. Nachdem der Applaus verklungen war, starrte sie wie gebannt auf Svenja, die sich anschickte, den Brautrauß  mit den lila Fresien und den cremefarbenen Rosen, lila gerändert, in die Menge zu werfen. Von da an bekam Annamaria nur noch Bruchstücke mit, denn sie starrte fassungslos  auf den Brautstrauß in ihren Händen. Und wo war er, der Mann ihrer kühnsten Träume?

Er musste hier in der Menge sein, daran glaubte sie ganz fest, denn wenn der Brautstrauß erst einmal da war, konnte der passende Mann dazu nicht weit sein.