abc-etüde Textwoche 18/18

Christiane lädt zur ersten Mai-Etüde ein.

Auch wenn die Wogen um die neue DSGVO hochschlagen
und die Lust am Bloggen geschmälert ist,
ist noch nicht aller Tage Blogger-Abend …

Die aktuellen Wörter sind von
vrojongliert und lauten:

Maibaum
galaktisch
wetteifern

 

Die Kunst, Feste zu feiern

Der  Mai zeigt sich von seiner farbenprächtigsten Seite. Blüten wetteifern miteinander, wer die schönsten Farbnuancen hervorbringt und auch die blühenden Bäume stehen diesem Farbrausch in nichts nach.  Der traditioneller Maibaum mit flatternden Bändern war eher ein Fremdkörper inmitten all dieser Naturschönheiten gewesen, so dass es niemanden verwunderte, dass er plötzlich  in einer Nacht- und Nebelaktion vom Dorfplatz verschwunden war.

Werder an der Havel und das traditionelle Baumblütenfest, als größtes Volksfest der sogenannten „Neuen Bundesländer“,  das heißt aber auch Obstwein und Obstweinverkostung. Wie in jedem Jahr sind die Festwiesen an der Havel voller Menschen, die sich – ja, woran eigentlich – erfreuen und feiern? Galaktische Musikangebot von Live-Bands und Radiosendern, verschiedene Bühnen und ein Rummelplatz mit Riesenrad, da sollte doch für jeden etwas dabei sein.

Doch die negativen Schlagzeilen zum Baumblütenfest mehren sich. Geht es eigentlich noch um die Freude über die aufbrechende Natur, die Baumblüte und eine zu erwartende Obsternte? Oder setzt die ungewohnte Obstweinverkostung vielen so zu, dass sie ihre Hemmungen nach übermäßigem Alkoholkonsum vollständig verlieren und Beleidigungen und Körperverletzung Tür und Tor öffnen?

Glaubt man den Zeitungsberichten, so ist zumindest in diesem Jahr eine junge Frau beim Baumblütenfest  vergewaltigt und in einen See geworfen worden …

©G. Bessen

Anm.: Diese Etüde ist eine Mischung aus Fiktion und Realität

 

 

abc-etüde Textwoche 17/18

Christiane hat eingeladen,

Ludwig illustriert

und ich durfte die Wörter spenden:

Milchmädchenrechnung
dingfest
untertreiben

Erkenntnisse

„Was für ein arroganter Vogel, ich frage mich, was der hier will?!“

Sabine schaute dem gestrigen Neuankömmling, der den Mitpatienten am Mittagstisch noch einen schönen Tag gewünscht, sein Tablett zum Schmutzgeschirr gestellt hatte und nun zügig Richtung Ausgang eilte, verwundert hinterher.

„Lass ihm Zeit, niemand kommt als Patient ohne tieferen Grund einfach so in eine psychosomatische Klinik spaziert, da kann er noch so vehement behaupten, er sei gesund und sein Aufenthalt hier sei nur eine Präventionsmaßnahme“, beantwortete Katja Sabines Frage und löffelte weiter vergnügt ihren Nachtisch.

Robert strich sich durch die kurz geschnittenen gegelten Haare, bevor er seinen Motorradhelm aufsetzte und Gas gab. „Bloß weg hier“, dachte er bei sich, bevor ihn die Psychologin vom Vormittag noch erwischte und sein Innenleben erneut zum Brodeln brachte, was ihr  in einem einstündigen Einführungsgespräch  schon verdammt gut gelungen war. Natürlich hatte er seine inneren Baustellen nach zwei Jahren Bundeswehreinsatz in Afghanistan und fühlte sich oft bis an die Haarwurzeln erschöpft und ausgelaugt, nach all dem, was er dort gesehen und erlebt hatte. Es war sein Beruf, den er seit über zehn Jahren gern und mit Hingabe ausführte, doch er tendierte dazu, die Dinge, die er am Tage und bis in die Nacht  hin  in seinem Inneren spürte,  die sich unaufhaltsam auf  die Oberfläche zu bewegten, maßlos  zu untertreiben.

Im Verlauf der nächsten Tage, in denen er sich nach und nach einlebte, spürte er in seinem tiefen Inneren, dass es nötig war, einigen Erlebnissen in seinem Leben auf den Grund zu gehen und deren Bedeutung für ihn dingfest zu machen. Wie lächerlich erschien ihm plötzlich sein Machogehabe, als gestandener Mann, jung und gut aussehend, durchtrainiert und mit beiden Beinen im Leben, in einer Überzahl von deprimierten, essgestörten und ausgebrannten Frauen, die ebenso ihre Frau im Leben standen, jemand zu sein, der keine Hilfe brauchte.

Seine Milchmädchenrechnung war wieder mal nicht aufgegangen, und als er sich dazu durchgerungen hatte, den Vorschlag zur  Verlängerung der Reha-Maßnahme zu akzeptieren, verwunderte ihn, wie einfach es plötzlich wurde, sich fallen  zu lassen.

© G. Bessen

 

 

 

 

 

abc-etüde Textwoche 16/18

Schreibeinladung für die Textwoche 16.18 | Wortspende von Irgendwas ist immer

Die Wörter für die Textwoche 16.18 stammen also dieses Mal von Christiane  (Irgendwas ist immer) und lauten:

Notenblatt
schwanger
trainieren.

Lebensglück

Lisa war unbeschreiblich glücklich und merkte nicht, wie ihre verkrampften  Hände das Notenblatt immer mehr zerknüllten und der Schweiß der Handinnenseiten das dünne Papier durchfeuchteten. Erst der fragende Blick von Dana machte ihr klar, dass sie sich besser auf die Chorprobe konzentrieren sollte.

Endlich verlief Lisas Leben in annähernd normalen Bahnen und sie fühlte sich dem Ziel ihrer Wünsche immer näher.

Wie lange hatte sie darauf gewartet, endlich so sein zu dürfen, wie sie wirklich war?  Ihr ganzes bisheriges Leben stand unter dem Damoklesschwert, eine von ihrer Familie und ihrer Umgebung erwartete Rolle zu trainieren und zu spielen, die nicht dem entsprach, was Lisa fühlte und in tiefster Seele auch war. Erst Dana hatte ihr den richtigen Weg gezeigt, einen schmerzhaften, der Courage und Standhaftigkeit erforderte.  Danas Scheidung und der erfolgreiche Kampf um das Sorgerecht für die beiden Kinder lagen hinter ihnen.  Lisas Familie hatte immer noch enorme  Schwierigkeiten damit, eine Frau als Lebensgefährtin ihrer einzigen Tochter zu akzeptieren.  Und nun lag noch ein großer Felsbrocken vor Lisa, Dana einzugestehen, dass ihre Reise nach Dänemark keine Fortbildung war, wie Lisa ihr erzählt hatte, sondern ihr künftiges gemeinsames Familienglück besiegeln sollte.

Die Insemination in der Kopenhagener Sellmer-Klinik war erfolgreich verlaufen und Lisas größter Wunsch, endlich schwanger zu sein, hatte sich erfüllt.

©G. Bessen

Anmerkung: Die Sellmer Klinik ist eine Fertilitätsklinik in Kopenhagen. Dort werden Singlefrauen, Frauen die in einer lesbischen Beziehung sind und Frauen die in heterosexuellen Beziehungen leben, behandelt.

abc-etüde Textwoche 8/18

Danke an Christiane für die Einladung und an Ludwig für die Illustration.

Die Wörter für die Textwoche 08.18 wurden von Petra Schuseil und ihrem Wesentlich-Werden-Blog (wesentlichwerdenblog.wordpress.com) gespendet und lauten:

Pimpinelle (hier nachlesen)
stürmisch
glucksen.

 

Die Pimpinelle

Die zierlichen Köpfe der Familie  Pimpinelle schaukelten im Wind, denn es war recht stürmisch geworden. Für den Betrachter, der am Feldrand stand, bot sich ein amüsantes Bild. Es schien, als sei hier ein unbekannter Künstler mit einer perfekten Choreografie wie Phönix aus der Asche erstanden. Der aufmerksame Beobachter konnte jedoch noch mehr wahrnehmen. Die Familie der kleinen Wiesenknöpfe, denn so hieß die Familie der Pimpinelle im Volksmund, lauschte der Melodie des Windes und schunkelte im ¾-Takt einer Walzermelodie mal nach rechts, mal nach links.

Dabei schienen die kleinen Blüten vor Freude zu glucksen, so einen Spaß machte ihnen die Bewegung in der Hitze des späten Sommertages. Doch die Idylle war trügerisch, denn bereits am Horizont tauchten dunkle Wolken auf, die sich wenig später erbarmungslos mit dicken und schweren Tropfen über die fröhliche Pimpinellenschar ergießen und  die Jüngsten unter ihnen erbarmungslos mitreißen würden.

Das waren die Gesetze der Natur und sie nahmen keine Rücksicht, auf nichts und niemanden. Doch bis es so weit war, erfreute sich die Blütenschar ihres noch jungen und bewegungsreichen Lebens. Manchmal ist ein kurzes erfülltes Leben wertvoller als ein langes und freudloses.

©G. Bessen

 

 

abc.etüden 40.17

In dieser Woche, der Textwoche 40.17, stammen die Wörter für die abc.etüden aus dem Gedankenarchiv von Frau dergl und ihrem Blog, den Fädenrissen (faedenrisse.wordpress.com).

Sie lauten:

Interpol
Trabantenstadt
Honigpumpe.

Wenn Kinder spielen…

Es gab nicht einen Tag, in der die Polizei nicht zu einem Unfall oder Verbrechen in die Trabantenstadt am Frankfurter  Stadtrand gerufen wurde.

Die Anonymität in diesen Wolkenkratzern, der Zuzug  von Menschen mit Migrationshintergrund und die wachsende Anzahl arbeitsloser Jugendlicher machte diesen Kiez immer mehr zum sozialen Brennpunkt.

Die Wache der zuständigen Polizei, im Volksmund schon längst  nur noch Trapol (zusammengesetzt aus Trabantenstadt und Interpol) genannt, krankte an einer völlig verfehlten Personalpolitik und einem Langzeitkrankenstand, der seinesgleichen suchte.

Auch heute rissen die Notrufe nicht ab, alle Funkwagen waren im Einsatz. Die Feuerwehr war gerufen worden, weil aus einem gekippten Küchenfenster im 9. Stockwerk Rauch austrat.Eine Familie mit einem fünfjährigen Kind wohnte in der Sozialbauwohnung, doch niemand reagierte auf das Klingelzeichen.

Gefahr im Verzug – die Eingangstür wurde aufgebrochen.

Die Beamten stürmten in die Wohnung, versuchten den Grund der starken Rauchentwicklung auszumachen und stießen im Kinderzimmer auf einen kleinen blonden Jungen, der  völlig konzentriert damit beschäftig war,  seinen Namen mit einer Honigpumpe  auf den Spiegel seines Kleiderschrankes zu schreiben.

„Mama ist einkaufen. Hilfst du mir, Kakao zu kochen?“, fragte der kleine Junge den verdutzten Beamten, der als erster das Kinderzimmer gestürmt hatte.

© G. Bessen

abc.etüden 39.17 zum Wahlsonntag

Die heutigen Wörter für die abc.etüden passen zum aktuellen Anlass.

Wörter von Frau Wortsonate (wortsonate.wordpress.com)

ergebnisoffen

postfaktisch

Quadratscheißer

 
abc.etüde/Wahltag

Im postfaktischen Zeitalter sollten wir genau schauen, wem wir unsere Stimme geben.

Fakten zählen und nicht irgendwelche Gefühlsduseleien gepaart mit verbalen Kür-und Pflichtübungen.

Noch ist der Tag ergebnisoffen.

Wer nicht wählen geht, darf sich hinterher nicht über irgendwelche Quadratscheißer erregen oder gar lauthals protestieren.

Setzt Eure Kreuze, und wenn möglich,  an die richtige Stelle!

abc.etüden (30) vor der Sommerpause

 

 

 

 

 

 

 

 

Christiane lädt wieder ein:

Und auf zum Endspurt!
Heute, meine lieben Mitschreiber-/innen und Leser-/innen,
gibt es die letzten Wörter vor der Sommerpause.
Von Sommer, sprich: Hitze, haben wir hier oben
im Norden zwar bisher noch nicht viel mitbekommen,
aber ich gebe die Hoffnung erst zum Herbstanfang auf.

Die Wörter für diese Woche hat Anna-Lena von „Meine literarische Visitenkarte“ (visitenkartemyblog.wordpress.com) gespendet. Sie lauten:

Stativ
Kindheitstraum
nachspüren

Damit wir nicht ins Sommerloch fallen, hat Christiane auch eine Idee für ein Etüdensommerpausenintermezzo. Eine gute Idee gegen Entzugserscheinungen für alle, die nicht in Ferien oder Urlaub sind…

abc.etüden (28)

Hier sind sie, die Wörter für die Textwoche 28.17 der abc-etüden, gespendet von autopict.wordpress.com, und lauten:

Mondsichel
Zäsur
kontrollieren

abc/etüden/Auf besonderen Wegen (13)

Hildchen konnte nicht einschlafen und starrte verzweifelt auf die scharf gezeichnete Mondsichel, die genau über ihrem Garten stand.  Ihr Herz klopfte als wolle es sich überschlagen. Kein Lebenszeichen hatte sie von Ludwig, weder im Postkasten noch auf dem Anrufbeantworter. Er war seit knapp sechs Wochen unterwegs, aber so ganz ohne Nachricht – sieht man von dieser merkwürdigen Pilger-Jakobsweg-Karte mal ab – war das ganz und gar nicht ihr Ludwig.

Ihrer beider Leben geriet deutlich aus den Fugen, das spürte sie genau.

Dieser seltsame Wunsch Ludwigs nun zu pilgern war so eine deutliche Zäsur in beider Leben, das Hildchen etwas ganz anderes dahinter vermutete, eine midlife crisis, den Wunsch nach einem zweiten Frühling, den Männer in der fortgeschrittenen Mitte ihres Lebens oft verspüren und sie fragte sich, was sie mit Ludwig überhaupt noch verband.

Sie begann, fürchterlich zu zittern, wie bei einem Schüttelfrost vor einer schweren Grippe. Es gelang ihr nicht, ihren Körper zu kontrollieren, die Nerven gehorchten ihr nicht und der Boden unter ihr wollte sich wie ein gähnender Schlund auftun.

Gleich am Morgen würde sie eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben.

abc.etüden (27)

Für die abc.etüden, Woche 27.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Bruni (wortbehagen.de) und lauten:

 

 

Achterbahn,
Straßenschlucht,
einzigartig.

Volksfeste

Wenn die Sommer-Semesterferien in Berlin anfingen, näherte sich auch die Zeit des alljährlichen Deutsch-Amerikanischen Volksfestes.

Ganze Horden von Schülern und Studenten bevölkerten dieses Ereignis besonders an dem Tag, an dem der Eintritt auf die Hälfte reduziert war.

Achterbahn-Fahren – ja, das war ein MUSS, das einzigartige Gefühl, durch die Luft zu fliegen, dem Himmel so nah zu sein und der Hölle immer wieder knapp zu entfliehen. Alles, was die Stimmbänder hergaben, suchte sich einen Weg nach draußen.

Doch irgendwann war diese Leidenschaft vorüber. Die Nachrichten über Unfälle häuften sich. Herausgerissene Wagen stürzten auf den Festplatz und verwandelten die Unglücksstellen in wahre Straßenschluchten. Wie Krater gähnten die Stellen den Festplatzbesuchern entgegen.

Heute, viele Jahre später, sehe ich gern zu und bewundere die jungen Menschen für ihre Leichtigkeit, die ich längst abgelegt habe. Ist es Mut oder Leichtsinn, der Technik der Geräte zu vertrauen?

 

abc.etüden (22.1)

Schreibprojekt abc.etüden

Eine weitere Folge der Geschichte
Auf besonderen Wegen mit Wörtern
von Annette Mertens
aus einer frühen Etüdenfolge.

abc/etüden/ Auf besonderen Wegen (7)

Ludwigs Situation konnte auswegsloser nicht sein und nach seinem bitteren Erlebnis hatte er jegliche Frühlingsgefühle verloren. Träge lag er in der Badewanne, das nur noch lauwarme Wasser fühlte er schon gar nicht mehr, denn sein Denken konzentrierte sich nur darauf, aus dieser misslichen Lage zu entkommen. Vor seinem inneren Auge formte sich erst schemenhaft eine Skizze, dann tauchte ein Gesicht auf und messerscharf  stand die Lösung vor ihm: Walter, sein Cousin, der – wenn er Glück hatte – noch in Wien lebte.

Mühsam hievte sich Ludwig aus der Badewanne und riss dabei fast den geblümten Duschvorhang mit sich. Es dauerte nicht lange, bis er über die Auskunft Walters Telefonnummer und seine Adresse hatte und sich nach einem Anruf bei Walter  frisch geduscht und herausgeputzt wie ein Lebemann auf den Weg zu seinem Cousin  machte.

Und plötzlich waren die Bilder ihres letzten Zusammentreffens vor etwa zwanzig Jahren wieder da.  Walters Mutter, sein Ein und Alles, war ganz plötzlich infolge eines unglücklichen Sturzes gestorben und Walter saß nach der Beerdigung beim Leichenschmaus wie auf einem anderen Stern, ungläubig und in einer Art Schockstarre, unfähig, auch nur irgendetwas auf die Reihe, geschweige über die Lippen zu bekommen. Seine Mutter war die einzige Frau in seinem Leben gewesen und sicher auch die  letzte, denn mit dem anderen Geschlecht stellte sich Walter an wie ein Ochse beim Tanzen. Aber er lebte noch in Wien, schien auch noch im Besitz seiner geistigen Kräfte und freute sich aufrichtig, dass Ludwig ihn besuchen kommen wollte.

Allerdings war Walter so eine geradlinige, aufrichtige und ehrliche Seele, die sich nicht vorstellen konnte, dass so ein Verwandtschaftsbesucht durchaus auch hinterhältige Motive haben konnte.