Weihnachts-/Neujahrsetüden, Textwochen 52.17/01.18. (2)

Christiane und Ludwig laden wieder ein:

Weihnachts-/Neujahrsetüden, Textwochen 52.17/01.18.

Die Grundregel bleibt: 3 Wörter, maximal 10 Sätze, und darf wie schon in den letzten Wochen gern zu einem „mindestens 3 Wörter“ erweitert werden.
Erneut gilt: Ihr sucht euch die 3+ Wörter aus der nachfolgenden Liste (12 Wörter) selbst aus.

Berliner, Bleiklumpen, Christbaumständer, Karpfen, Kuss, Heuchelei, Hoffnung, Neujahrsläuten, Notaufnahme, Rauhnächte, Vorsätze, Wunderkerze

Der Jahreswechsel

Missmutig blickte Udo auf den Kalender, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag und seufzte, denn es dauerte noch zwei Tage, bis der normale Alltag wieder in sein Leben einziehen würde, bis er sich wieder unter Menschen begeben, einkaufen oder seinen täglichen Beschäftigungen nachgehen konnte.
Was für ein Irrsinn, was für eine Heuchelei, das neue Jahr mit Böllern und Raketen, mit Alkohol und Partys bis zum Umfallen zu begrüßen, in einer Welt, in der ohnehin nichts mehr stimmte, Reichtum und Armut, Macht und Ohnmacht, Krieg und Frieden, Liebe und Hass so in ein Ungleichgewicht geraten waren, dass es einem nur noch schlecht werden konnte!

Dieses vorsatzgeschwängerte Neujahrsläuten empfand er mittlerweile als genauso dekadent wie mancher Menschen Freude über den eigenen Geburtstag, denn ein Jahr älter zu werden und dem Ende der Wurst immer näher zu rücken, war doch nun wirklich kein Grund zur Freude, besonders dann nicht, wenn man alleine war und gewisse Zukunftsängste sich nicht mehr wegatmen oder schön trinken ließen.

„Du oller Miesepeter! Hast du vergessen, wie viele Silvesternächte wir mit Freunden durchgefeiert und auch durchgetanzt haben, bis wir am Neujahrsmorgen völlig fertig nur noch ins Bett gefallen sind? Unser Bleigießen ist immer daneben gegangen, denn wir brachten nur undefinierbare Bleiklumpen zustande und die Interpretationen, was das alles so sein könnte, waren immer die Lacher der Silvesternacht.

Unsere runden Geburtstage, die wir schon monatelang akribisch vorbereitet hatten, waren immer etwas ganz Besonderes und haben uns so viel Freude bereitet, dass wir noch lange darüber gesprochen und uns immer wieder die Fotos angesehen haben. Als die Kinder geboren wurden, ihre Ausbildung beendet hatten und ihre eigenen Familien gründeten, waren wir so stolz auf uns und der Meinung, dass wir zusammen eine Menge Gutes zustande bekommen haben und uns doch ein wenig auf die eigene Schulter klopfen könnten.

Und nun sitzt du da, verbiestert, vergrämt und mit Gott und aller Welt unzufrieden und jammerst mir die Ohren voll, doch das geht so nicht, denn du hattest ein Leben vor mir und hast auch noch ein Leben nach mir.

Es war mir nicht vergönnt, länger an deiner Seite bleiben zu dürfen, doch wenn du glaubst, dass ich auf dich warte und du kommst dann in diesem Zustand zu mir, kannst du eigentlich auch für immer am Leben und auf der Erde bleiben.“

Nachdenklich betrachtete er das Foto seiner verstorbenen Frau Sabine neben dem Kalender auf seinem Schreibtisch und wusste, dass er diese regelmäßigen ‚Kopfwaschaktionen’ von woher auch immer dringend brauchte, um sein unfreiwilliges Singleleben wieder in die richtige Form zu bringen.

© G.Bessen

Weihnachts-/Neujahrsetüden, Textwochen 52.17/01.18.

Christiane und Ludwig laden wieder ein:

Weihnachts-/Neujahrsetüden, Textwochen 52.17/01.18.

Die Grundregel bleibt: 3 Wörter, maximal 10 Sätze, und darf wie schon in den letzten Wochen gern zu einem „mindestens 3 Wörter“ erweitert werden.
Erneut gilt: Ihr sucht euch die 3+ Wörter aus der nachfolgenden Liste (12 Wörter) selbst aus.

Berliner, Bleiklumpen, Christbaumständer, Karpfen, Kuss, Heuchelei, Hoffnung, Neujahrsläuten, Notaufnahme, Rauhnächte, Vorsätze, Wunderkerze

 

 

Paul, der Pechvogel

 Wieso wunderte es ihn nicht, dass auch das Weihnachtsfest gründlich in die Hose gegangen war, wie bereits all die Monate, die dem Heiligabend vorausgegangen waren?

Paul war ein ausgesprochener Pechvogel geworden, oder das Schicksal hatte sich gegen ihn gestellt, oder das Glück hatte ihn verlassen, oder er war generell auf dem absteigenden Ast oder, oder, oder … .
Darüber zu lamentieren, brachte ihn nicht weiter, er musste nun zusehen, wie er aus der sprichwörtlichen Nummer, besser gesagt, aus der Notaufnahme des Unfallkrankenhauses herauskam, bevor der Karpfen, der munter in seiner Badewanne schwamm, schon vier Tage vor Silvester einem Drehwurm oder einem Kreislaufkollaps erlag.

Doch so einfach war das nicht, denn das Röntgenbild musste noch ausgewertet werden und eine eventuelle Nachbehandlung dessen, was der Christbaumständer, den er sich hatte auf den rechten Fuß fallen lassen, möglicherweise angerichtet hatte, war noch nicht klar.

Wenigstens war Weihnachten vorbei, und obgleich die Notaufnahme des Krankenhauses noch in Schmalspurbesetzung arbeitete, fühlte sich Paul gut aufgehoben und betreut, denn bei genauerem Hinsehen saß er nicht alleine hier auf der Wartebank.

Mit ihm schien noch ein Dutzend anderer Verunfallter auf eine Erste-Hilfe-Maßnahme zu warten und hoffte auf Linderung, denn um manche Finger- und Handgelenke oder um einige Köpfe waren notdürftig Lappen oder amateurhaft Verbände gelegt worden, so manche dicke Wange wurde von einem Eisbeutel bedeckt und der Verein der Versehrten blickte in seiner Gesamtheit nicht ganz glücklich aus der Wäsche.

Nach einer gefühlten Endlosschleife rief man Paul ins Behandlungszimmer und verkündete ihm, was für ein Glück sein Mittelfuß doch gehabt hatte, denn lediglich eine mittelschwere Prellung mit zunehmender Buntfärbung würde ihn noch lange an den gefallenen Christbaumständer erinnern, aber das ginge irgendwann vorüber.

Somit schien ihm das Glück doch noch nicht eingefroren zu sein und mit einer schwungvollen Geste nahm er die zierliche, asiatisch aussehende Notärztin in die Arme, drehte sich mit ihr einmal im Kreis herum, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, flüsterte ihr die besten Wünsche für einen guten Jahreswechsel ins Ohr und humpelte, so schnell es ihm möglich war, dem Ausgang entgegen.

Doch Paul kam nicht weit, denn während er beim Gehen seine von der Kälte beschlagenen Brillengläser putzte, stolperte er über ein Skateboard, das herren- oder damenlos einfach in der Gegend herumstand, und fiel der Länge nach hin, genau auf seinen linken Arm, der ihm ohnehin von der Schulter her häufig wehtat.
Die zierliche, asiatisch aussehende Notärztin lächelte ihn verschmitzt an, während sie ihm etwa zwei Stunden später einen Gipsverband anlegte, und flüsterte ihm ins Ohr, dass er in der Silvesternacht gern mit einer Flasche alkoholfreien Sekts vorbeikommen dürfe, falls er nichts Besseres zu tun hätte, denn hier sei er in sicheren Händen.

© G. Bessen