abc.etüden (17)

abc/etüden(17)/ Auf besonderen Wegen (3)

heute mit Worten aus einer früheren Kalenderwoche:
Königin, Backerbsen, Korallenriff

Hildchen war nicht auf den Mund und schon gar nicht auf den Kopf gefallen, denn als der Holde per Taxi in Richtung Flughafen davonfuhr, packte sie ihren Koffer und wartete aufgeregt auf ihre beste Freundin Antonia, mit der sie schon zu Schulzeiten lauter Flausen im Kopf gehabt hatte. Sollte Ludwig  doch pilgern und beten gehen, sie würde das Geld ihrer Erbtante Charlotte verprassen, von dem er nicht den blassesten Schimmer hatte.

Sie hatte alles bedacht, vom Programmieren der Zeitschaltuhren in Haus uns Garten bis hin zum Nachsendeantrag und freute sich wie ein kleines Kind darauf, sich mit Antonia auf den Spuren ihrer Kindheit und Jugendzeit zu bewegen. Wie lange war das her?

Natürlich hätte sie lieber im Roten Meer einen Tauchkurs gemacht und die viel gepriesenen Korallenriffe umschnorchelt. Das aber war etwas für junge Leute. Hildchen  liebte Backerbsen in allen Variationen, die es – so sagt man – in Ägypten gab und als Königin von Sanaa wollte sie schon als Kind in den prächtigsten Kleidern herumlaufen. Man kann vieles wollen und doch nicht alles haben.

So saß sie zufrieden neben der schlafenden Antonia im Reisebus nach Breslau, voller Vorfreude darauf, was sie in Breslau wohl alles wiedererkennen würden…

abc.etüden (16)

Für die heutige Sonntagsausgabe  der abc/etüden geht es um die drei Worte:

Paradeiser, Schlawiner und Kinkerlitzchen von Jule Pfeiffer-Spiekermann

Zur heutigen Geschichte gibt es bereits den Teil vom vergangenen Sonntag und die Fortsetzung von heute. Viel Lesespaß!

abc/etüden (15)/ Auf besonderen Wegen (1)

Niemals hatte er diese Karte geschrieben, dafür kannte sie ihren Mann zu gut. Allein beim Aussprechen dieser Wörter hätte er sich schon die Zunge mehrfach verknotet. Wieder und wieder las sie den Text der Karte und je öfter sie ihn las, desto unsicherer wurde sie. Sicher, als er vor vier Wochen aufgebrochen war, wollte er seine innere Mitte finden, zur Ruhe kommen und beten – ganz viel beten. Ob ihm das zu Kopf gestiegen ist?

Hatte er etwa wieder angefangen, irgendwelche undefinierbaren Dinge zu rauchen, so dass er auf Knospenkollisionskurs war?

Gab es eine heilige Iris, der er aus lauter Einsamkeit ein Irisreinkarnationslied singen wollte und ihm kein passender Text dazu einfiel?

Sie wusste weder, wo er gerade war, noch, wie es ihm ging und schon gar nicht, wie sie ihn erreichen konnte, ohne irgendwelchen Safranstaubkussspuren zu hinterlassen, die der Wind sofort von dannen trüge.

Wie hatte sie nur zulassen können, dass ein Mann in der zweiten Lebenshälfte mutterseelenallein den Jakobsweg pilgerte, wo er doch zuhause kaum den Hintern aus dem Sessel heben konnte?

Sie hätte ihn begleiten müssen, denn ganz offensichtlich war er nun vollkommen übergeschnappt…..

 

abc/etüden(16)/ Auf besonderen Wegen (2)

Das Vagabundenleben gefiel ihm außerordentlich gut. Ob Hildchen mittlerweile bemerkt hatte, dass er das Schließfach der Bank komplett leer geräumt hatte? Er war ein Schlawiner, ohne Frage, aber er hatte beschlossen, dass er ihren gemeinsamen Notgroschen jetzt brauchte und nicht, wenn er vielleicht schon an der Schnabeltasse hing! Hildchen  hatte einen großen Freundeskreis und würde den holden Gatten sicher mal für einige Zeit entbehren können. Bei ihren Freundinnen konnte sie jederzeit anrufen oder vorbeischauen, auch wenn es nach seinem Empfinden  nur um Kinkerlitzchen ging.

Zufrieden betrachtete er die am Cafe vorbeischlendernden Gäste und rauchte dabei eine echte Havanna. Er liebte Wien und den Wiener Charme ganz besonders.

Er wartete gerade auf sein Essen mit den  viel gepriesenen Paradeisern, als ihn eine schlanke und hoch gewachsene Brünette mit einem umwerfenden Augenaufschlag fragte, ob der Platz ihm gegenüber noch frei sei.

Sofort spürte er ein angenehmes Kribbeln im Bereich seiner Lenden und antwortete mit einem süffisanten Lächeln: „Für Sie doch immer, gnädige Frau.“ Wie ein Gentleman sprang er auf und  rückte seiner neuen Tischnachbarin den Stuhl zurecht , den sie mit einem ebenso süffisanten Lächeln in Beschlag nahm.