Wartezimmer
Ein Zimmer, in dem man wartet. Worauf?
Ein Zimmer, das von den Gedanken der Wartenden erfüllt ist.
Als ich die Gesichter der Menschen im Wartezimmer betrachtete, hätte ich gerne in die Köpfe der Menschen hinein gesehen. Welche Gedanken beschäftigen sie?
Eine Frau mittleren Alters hält die Hände ruhig im Schoß gefaltet. Ihre Körperhaltung ist ruhig, sie bewegt sich kaum. Aber ihre Augen vollführen einen kleinen Marathon. Die schmalen Lippen bilden eine feine Linie in dem von mehreren Fältchen geprägten Gesicht. Die großen braunen Augen hinter der randlosen Brille wandern unruhig hin und her.
Als sie aufgerufen wird, springt sie auf und lächelt.
Hat sie darauf gewartet, die Nächste zu sein? Erwartet sie einen Befund, dem sie mit Spannung entgegen blickt?
Das junge Mädchen zu ihrer Rechten mit den grünblond gefärbten Haaren und den mit blauen Kästchen bemalten, ursprünglich weißen Turnschuhen, betrachtet intensiv ihre Arme, mal rechts, mal links. Neurodermitis. Aber aus diesem Grund ist sie sicher nicht in einer gynäkologischen Praxis. Als sie ihre Arme wieder in ihren schwarzen Sweatshirtärmeln versteckt hat, widmet sie sich ihren bunt lackierten Fingernägeln.
Eine ältere Dame kommt, setzt sich hin und greift sofort nach der neuesten Regenbogenpresse. Sie ist so vertieft in ihre Lektüre, dass sie beim Kommen und Gehen anderer Patientinnen nicht einmal aufschaut.
Direkt am Fenster eine Frau mit müden Augen, die ununterbrochen aus dem Fenster blicken.
Die Sonne, die sogar in eine winzige Ecke des Wartezimmers scheint, kann ihre Augen nicht zum Leuchten bringen. Sie scheint mit ihren Gedanken weit weg zu sein, nicht bei den Passanten, die bei strahlend blauem Himmel am Fenster entlanggehen, nicht in dem gegenüberliegenden Garten, der langsam aus dem Winterschlaf zu erwachen scheint.
Starr und teilnahmslos blicken sie vor sich hin auf die Straße mit dem alten Kopfsteinpflaster.
Es ist still im Wartezimmer. Die einzigen Geräusche sind das Klingeln des Telefons, die freundliche Stimme der Arzthelferin, die Termine vergibt, Rezeptwünsche annimmt und sich auch telefonisch nach dem Befinden der Patientinnen erkundigt.
Türen werden leise geöffnet und geschlossen. Die Ärztin holt ihre Patientinnen selbst aus dem Wartezimmer ab und gibt ihnen zur Begrüßung die Hand.
Keine knarrende Durchsage wie in anderen Praxen ‚Frau Sowieso, bitte in Sprechzimmer x’.
Die wohltuende Stille wird durchbrochen durch eine hereinkommende junge Mutti mit einem Kleinkind, das erst wenige Monate alt ist. Groß blicken die strahlend blauen Augen von einem zum anderen und erst, als das Kind auf dem Schoß der Mutter sitzt, verliert es seine Scheu und lächelt jeden reihum an, mit quiekender Babysprache und wild gestikulierenden Händchen.
Ein Mann betritt das Wartezimmer. Plötzlich richten sich alle Blicke auf ihn. In keiner anderen fachärztlichen Praxis zieht ein Mann die Blicke der Frauen so auf sich. Nachdem er seiner Frau aus dem Mantel geholfen hat, verabschiedet er sich wieder. Die Frauendominanz scheint ihn verschreckt zu haben.
Es kehrt wieder Ruhe ein und die Gedanken ziehen erneut ihre Kreise.
C/ G.B. 2009
Treffender kann man es nicht beschreiben. Die Protagonisten mögen wechseln; die Stimmungen kaum.
LikeLike
Und das Gefühl der Unsicherheit hängt wie Spinnennetze im Raum fest.
LikeLike
Gut beobachtet. In Wartezimemrn kann man tatsächlich Studien machen. Das lenkt einen richtig vom Lesen ab …
LikeLike
Da hast du recht, liebe April. Das ist ein idealer Ort zu beobachten, weil keiner wegläuft 😉
LikeLike
So kann man sich die Zeit im Wartezimmer auch vertreiben, liebe Anna-Lena. 🙂 Was die anderen wohl über dich gedacht haben. 😉
Interessant deine Beobachtungen der so unterschiedlichen Menschen.
Liebe Grüße,
Martina
LikeLike
Keine Ahnung, liebe Martina, ist mir auch ziemlich schnuppe 😆
Liebe Grüße zu dir 😉
LikeLike
toll hast du das beschrieben, werde am 15. auch wieder so da sitzen, eine Stunde, bis ich dran bin, aber mit Spannung, leider immer noch, KLaus
LikeLike
Ich wünsche dir einen guten Ausgang deines Termins, lieber Klaus.
LG Anna-Lena
LikeLike
Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll. Liebe Anna-Lena, du hast mit eindrucksvollen Worten das wiedergegeben, was ich ebenfalls so oft in Arztpraxen empfinde. Ich schaue und beobachte gerne die Menschen um mich herum. Mache mir Gedanken, warum sie wohl mit im Raum sitzen. Ich sehe vieles und weiß doch nicht alles, was sich hinter den Gesichtern versteckt.
Danke für deine wieder einmal mehr als anschauliche Geschichte!
Und natürlich gibt es ganz herzliche Grüße für dich. Mandy
LikeLike
Liebe Mandy,
gerade beim Arzt sitzt man doch gemeinsam im selben Boot und gerade dort kann man von den Gesichtsausdrücken oft auf das Innere schließen. Die Gefühle dabei sind immer sehr gemischt. Aber ich beobachte gerne, wenn ich mal zum Arzt gehe, was zum Glück bisher selten ist.
Liebe Grüße in deinen Tag,
Anna-Lena
LikeLike
Mmmmmh, und ich dachte immer die anwesenden Frauen finden mich unwahrscheinlich attraktiv, so kann man sich irren! Man lernt halt nie aus, danke! YDu 😉
LikeLike
Ich wusste ja gar nicht, dass du Gynäkologe bist 😳 . Oder ist das reines Wunschdenken ?
LG Anna-Lena
LikeLike
Der Job wäre mir voll peinlich, ich bezog mich auf die Blicke der Damen im Warteraum, die mich, deinen Ausführungen nach, ja doch nur studieren, um in diversen Foren ect. über den etwas verschreckten Arztbesucher zu schreiben. YDu * … oder so ähnlich halt … 😉
LikeLike
Nun, manche Männer stehen auf so einen Job.
Aber wenn du kein Gyn bist, hast du in DEM Wartezimmer nur als werdender Vater was zu suchen.
Du gehörst eher zu den Urologen, da ist das Publikum sehr gemischt 😉
LikeLike
Sah das mit dem Wartezimmer eher generell, aber beim Urologen … ausgezeichnetes Studienterrain! YDu * U., das ist ein Job, ich sag es dir … dafür cachen die Jungs ab, dass es nur so raucht! 😉
LikeLike
Klar, wer lässt sich schon gern hochempfindliche Körperteile untersuchen ?
LikeLike
Wenn ich in das Wartezimmer komme, dann wird meistens schnell miteinander gesprochen und gelacht. Die Leute tauen auf und erzählen. Kürzlich lauschten wir alle ganz gebannt den Geschichten einer sehr wachen 94jährigen Dame und wir haben sehr gelacht.
Meist herrscht in den Wartezimmern ja eine merkwürdige Atmosphäre, das hat mich irgendwann einmal geärgert und ab dann gab es zwanglose und auch schöne Gespräche. Selbst Männer erzählten da mit. Und das will was heißen.
Du hast so toll beobachtet!
,Liebe Grüße, Brigitte
LikeLike
Ja, manche Menschen können jeden Bann brechen 🙂
Ich kenne leider nur die Wartezimmer mit den eher Schweigsamen.
Liebe Grüße zu dir,
Anna-Lena
LikeLike
Gut beobachtet und sehr treffend formuliert, liebe Anna-Lena.
Manchmal gibt es auch noch die, die nicht leise sind sondern das ganze Wartezimmer unterhalten 😉
Liebe Grüße
Katinka
LikeLike
Oh ja, deren Lebensgeschichte man doch eigentlich gar nicht hören will 😳
Liebe Grüße
Anna-Lena
LikeLike
ich hasse Wartezimmer…
Ich werde bei gutem Wetter lieber draußen in der Natur sein.
Ab und zu schaut Lilofee bei dir vorbei, um dich zu grüßen…
LikeLike
Ich wünsche dir großartige Naturerlebnisse, die findest du in keinem Wartezimmer.
Einen lieben Gruß auch zu dir 🙂 .
LikeLike
Sehr interessant geschrieben und genau so ist es auch in den Wartezimmern 😉 Ich gehe nicht gerne zum Arzt – je älter ich werde 😦 …. trotzdem kann ich mir die Zeit dort immer ganz gut mit Zeitschriften vertreiben und wenn ich dort eine schöne Wohn- oder Gartenzeitschrift finde, dann kann ich mich sogar beim Zahnarzt ablenken 🙂 Das ging früher gar nicht.
LG Susanne
LikeLike
Mir geht es ähnlich. Schon beim Anblick eines weißen Kittels steigt mein Blutdruck 😯 . Ablenken kann ich mich mit Lesen auch ganz gut.
Beim Zahnarzt hängt sogar ein Fernseher, auf dem immer ntv läuft. So kommt man in Ruhe zum Nachrichten schauen 🙂
Liebe Grüße und eine gute Nacht 🙂
LikeLike