Suppenkoma

Suppenkoma –
oder wie halte ich mich über die Mittagspause fit?

Mittlerweile hat Hanna  alle Tricks ausprobiert, um diesem täglichen Suppenkoma zu entkommen. Sie geht  nicht mehr in der Kantine essen. Ballast braucht der Magen
ebenso wenig wie überflüssige Kalorien. Mittags packt sie ihren  Salat aus, trinke statt Kaffee nur Buttermilch und trotzdem – das Suppenkoma kommt. Und sie  bekomme langsam lange Zähne, denn sie fühlt sich  wie ein Kaninchen bei so vielen grünen Salatblättern und frischem Gemüse.

Mit Nordic-Walking-Stöckern bewaffnet schnaufend durch den angrenzenden  Park zu walken, den Kunden, die nach der Mittagspause womöglich vor ihrer Tür Schlange stehen und ungehalten einer nach dem anderen an ihren Schreibtisch treten, verschwitzt und keuchend zu begegnen, ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Vor allem wirft so ein Zustand kein gutes Licht auf die Firma, zu der sie seit ihrer Ausbildung gehört.

Die Firma müsste ein Schwimmbad für die Mittagspause oder zumindest einen Ruheraum haben, aber so viel Arbeitgeberfreundlichkeit ist in der heutigen Zeit wohl kaum zu erwarten. Sie  kann sich ja schlecht im Großraumbüro in der Mittagspause auf ihre Yogamatte legen, sich von Entspannungsmusik einlullen lassen und ein kurzes Nickerchen machen. Schon die geforderte  Arbeitskleidung mit Rock, Bluse und hochhackigen Schuhen verbietet das.

Hannas  Lieblingsitaliener lässt sich nicht mehr mit einer Ausrede abspeisen, sie  müsse derzeit Kalorien zählen, denn Rohkost und Walken haben einige Pfunde purzeln lassen. Und schon steigt ihr  den Duft der herrlichsten Spaghettis mit den entsprechenden Soßen in der Nase. Sie  schnüffelt wie eine Drogenabhängige und wird unruhig, wenn sie  an den Grappa und den Espresso danach denkt…

Und heute mache sie es! Der Salat und die Buttermilch werden für das Abendessen eingeplant und in der Mittagspause geht  sie  zum Italiener – basta. Und das Suppenkoma wird sie zukünftig als das betrachten, was es wirklich ist: der Leistungsabfall in der Mittagszeit, biologisch belegt und garantiert ohne Risiken und Nebenwirkungen.

©Text und Bild: G. Bessen