Ein Schwarm bunter Vögel
Damit meine ich nicht unser äußeres Erscheinungsbild, sondern eher unsere regionale Herkunft. Wir waren ein buntes Gemisch von Mädchen aus allen Himmelsrichtungen. Die Saarländerinnen waren sehr zahlreich vertreten und wenn sie miteinander im Heimatdialekt sprachen, verstand ich zumindest kein Wort. Eine sehr große Gruppe bildeten diejenigen aus Nordrhein-Westfalen, während ich, mittlerweile Berlinerin, den deutlich weitesten Weg hatte. Wir sprachen deutsch, uns zwar reinstes Hochdeutsch, so dass die Verständigung miteinander kein Problem war.
Unsere Lehrerinnen unterrichteten nach den Schulrahmenplänen von Nordrhein-Westfalen und wir waren als deutsche Auslandsschule anerkannt. Unsere holländischen Sprachkenntnisse erwarben wir am Samstag, wenn wir im angrenzenden Ort einkaufen gingen oder auf dem Klo.
Weiches Klopapier war der reinste Luxus und so begab es sich, dass auf unseren Toiletten klein geschnittene holländische Zeitungen als Klopapier dienten. Längere Aufenthalte waren daher durchaus lehrreich. Zumindest hatten wir unsere Toiletten in erreichbarer Nähe, während in meiner Verwandtschaft das Klo auf halber Treppe durchaus noch normal war.
Unsere Kleidung musste natürlich dem Haus angepasst sein. Die „draußen“ modernen Miniröcke hätten die Klosterpforte erst gar nicht passieren dürfen. Und Hosen für ein Mädchen – undenkbar! Dunkle und züchtige Kleidung bis zum Knie war angesagt, dazu schwarze Strümpfe und keine allzu farbigen Oberteile.
In der siebten Klasse trugen wir Pellerinen (einen kurzen schwarzen Schulterumhang, der nur die Schultern und Oberarme bedeckte). Diese Kleidungsstücke erwiesen sich als äußerst praktisch, denn man konnte so Einiges, was nicht erlaubt war, in den Schlafsaal schmuggeln. So war das Zähneputzen so manches Mal am Abend umsonst. Wer etwas teilen konnte, machte es auch.
So kam es, dass Uli samt ihrer Bettdecke und süßer Kostbarkeit auf dem Weg zu mir war, als sie überraschend unserer Internatsleiterin gegenüber stand, die auf ihrer letzten Runde das Licht löschen wollte. Und da Uli weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen war, begrüßte sie die Schwester mit einem Bibelzitat: „Stehe auf, hebe dein Bett auf und gehe heim!“ (Matthäusevangelium 9,6).
Etwas Süßes und eine Taschenlampe (natürlich auch ausreichende Batterien) waren das Highlight im Schlafsaal. Damit konnte man so manche ohnehin kurze Nacht noch weiter verkürzen.
Die Kleiderordnung lockerte sich im Laufe der Zeit, aber das Thema Hosen war lange Zeit ein Tabu. Was haben wir unserer Schulleiterin die Bude eingerannt mit einer langen Latte von Argumenten!!!
Letztendlich durften wir die Hosen anziehen, wenn wir das Gelände verließen, aber danach verschwand das Ding wieder im Schrank.
Wir hatten einen Sportplatz, den wir im Sommer intensiv nutzten. Im Winter quälten wir uns auf Matten, Böcken, an der Sprossenwand und auf dem Barren. Ich erinnere mich, dass wir Trainingsanzüge trugen. Unsere Sportlehrerin trug einen Turnrock, das war eine Art Hosenrock, eine dunkle Strickjacke oder Trainingsjacke und ihren Schleier. Bei einer Vorturnübung auf dem Stufenbarren beschloss der Schleier, ein Eigenleben zu führen und flog im hohen Bogen durch den Turnsaal. Waren wir entsetzt? Ich glaube nicht, ich denke sogar, wir lachten uns still eins ins Fäustchen (ich auf jeden Fall)!