Die Wortspende zu Christianes Schreibeinladung für die Textwochen 42/43 des Jahres 2022 stammt von Monika mit ihrem Blog Allerlei Gedanken. Sie lautet:
Billard
aktuell
gestalten
Des Messers Schneide (2)
Mittlerweile hatte sie eine halbe Flasche Rotwein intus und ihre Gedanken arbeiteten immer noch fieberhaft. Sie sah sich viele Jahre zuvor am Esstisch ihrer Eltern sitzen und ihnen verkünden, dass sie sich exmatrikuliert hatte und anstelle ihres Jurastudiums einen Billardsalon eröffnen wollte.
Auf Verständnis oder gar finanzielle Unterstützung stieß sie keineswegs bei ihren Eltern, die erwarteten, dass die einzige Tochter die elterliche Anwaltskanzlei mal übernehmen und nach dem Vorbild der Eltern als Vollblutjuristin gestalten würde.
Sie setzte trotz der elterlichen Widerstände ihren Plan zielstrebig um und der anfangs kleine Salon war zu einem Poolparadies geworden, in dem Menschen aller Altersgruppen nicht nur Billard und Snooker spielten, sondern darten und kickern konnten. Eine bequeme Loungeecke mit Leinwand, eine große Getränkeauswahl und die Möglichkeit für Privatfeiern mit oder ohne Buffet zog jeden Tag eine große Menschenmenge an. Das hatte nichts mehr mit Jura zu tun und doch war diese Anlaufstelle in der Stadtmitte ein Sammelbecken für Jugendliche geworden, die vielleicht sonst aus Langeweile und Perspektivlosigkeit auf die schiefe Bahn geraten würden.
Sie hatte ihren Traum verwirklicht und konnte von den Einnahmen gut leben, ohne selbst viel dafür zu tun. Nein, das warf sie nicht weg! Sie hatte ihre Leute, denen sie vertrauen konnte. Und sie selbst? Mit Mitte 30 war sie doch keineswegs zu alt, um ihr Jurastudium fortzusetzen und zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
Gleich morgen früh würde sie sich an der Uni erkundigen, unter welchen Voraussetzungen sie wieder studieren könnte und dann würde sie zu ihren Eltern fahren, um sie mit ihren aktuellen Plänen zu überraschen. Versöhnung nicht ausgeschlossen!
Sie entsorgte die Rasierklinge und machte es sich mit dem restlichen Rotwein auf der Couch gemütlich. Es gab wieder einen Lichtblick.
„Wo sich eine Türe schließt, öffnet sich eine andere.“ Das von Molière stammende Sprichwort schien sich wieder einmal zu bewahrheiten.
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