Schreibeinladung für die Textwochen 10.11.19 Die zauberhaften Wörter für die Textwochen 10/11 des Schreibjahres 2019 kommen von Natalie und ihrem Blog, dem Fundevogelnest. Die neuen Begriffe lauten:
Nieselregen
weich
irren
Entscheidungen
„Raphaela, lass mich gehen, bitte.“ Er schaute sie mit einem weichen, fast flehenden Blick an.
„Bist du dir darüber im Klaren, was du von mir verlangst? Wir wollten gemeinsam alt werden und dann irgendwann gemeinsam und in Würde gehen. Hast du das vergessen?“
„Nein, das habe ich nicht“, antwortete Robert leise und schaute an ihr vorbei in den frühlingshaft erblühenden Garten. „Wir haben eine gute Strecke unseres gemeinsamen Weges geschafft und es ging uns immer gut dabei. Allerdings haben wir unterschätzt, dass nicht wir das Leben in der Hand haben, sondern umgekehrt. Und nun hat es uns eines Besseren belehrt – unwiderruflich.“
Ihre Blicke verschmolzen ineinander und ihrer beider Tränen liefen ihnen die blassen Wangen hinab wie der sanfte Nieselregen, der die Fenster unaufhörlich benetzte.
Ärzte können sich irren, Blutproben und medizinische Unterlagen können vertauscht werden, all diese Hoffnungsschimmer hatten Raphaela über die letzten Tage hinweg geholfen, doch jegliche Strohhalme waren nun fort, zerplatzt wie feine Seifenblasen.
Sie kannte ihren Mann und wusste, dass er, wenn er erst einmal eine Entscheidung getroffen hatte, nicht mehr davon abzubringen war. Er würde keine Rücksicht auf sie nehmen. Es lag nun an ihr, auch für sich eine weitreichende Entscheidung zu fällen.
Nach einer schlaflosen Nacht packte sie einen Koffer mit all dem, was sie für die kommenden Tage noch brauchten, checkte den Wagen durch, tankte ihn voll und machte sich mit Robert auf den Weg in ihre kleines, einsam gelegenes Ferienhaus an der Ostsee.
Ohne ihn bedeutete ihr das eigene Leben nichts und seines ließe sich bestenfalls durch medizinische Behandlungen verlängern, doch zu welchem Preis? Die starken Schmerztabletten halfen ihm ohnehin nur noch bedingt. Der Krebs hatte sich in seinem ganzen Körper ausgebreitet.
Sie hatte sich entschieden und die kleine Schachtel mit den zwei weißen Kapseln, gefüllt mit Zyankali, gut in ihrer Handtasche versteckt.
300 Wörter
Liebe Anna-Lena, auch das kann eine Entscheidung sein!
herzliche Abendgrüße
Ulli
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So sehe ich das auch und das ist zu respektieren.
Ein schönes Wochenende für dich, liebe Ulli!
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Ich erschrecke vor der Unbedingtheit, vor ihrer Sicherheit, dass das eigene Leben ohne den geliebten Mann nicht mehr lebenswert ist. „Wir“ alles, „ich allein“ nichts. Und vor den Konsequenzen …
Liebe Grüße
Christiane
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Ja, ich verstehe deine Bedenken und doch gibt es diese Situationen immer wieder. Ich kannte mal ein Paar, dass auf diese Weise gegangen ist.
Herzliche Grüße
Anna-Lena
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Liebe Anna-Lena, wie entsetzlich und wie endgültig sind solche Entscheidungren, wie nahe bin ich ihr, immer wieder und wieder…
Liebe Grüße an Dich
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Entsetzlich – ja, unbedingt, aber auch verständlich, oder?
Liebe Grüße in den frühen Sonntag,
Anna-Lena
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Curt und ich leben leichter, weil wir uns von alten Denkgewohnheiten getrennt haben. Schön, dass Du das Thema hier angeschnitten hast.
Ganz liebe Grüße
Barbara
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Es ist immer wieder mal aktuelle und ich denke, der Tod und sein Erscheinungsbild wird mit zunehmendem Alter einfach auch mehr zum Thema.
Liebe Grüße
Anna-Lena
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So mutig könnte ich nicht sein! Außerdem halte ich Selbstmord ethisch in einer solchen Situation auch nicht für vertretbar.
Aber das hat mit Deiner Geschichte nichts zu tun, die ist sehr eindrucksvoll geschrieben.
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Ich könnte das auch nicht, dazu lebe ich zu gern.
Allerdings kannte ich mal ein Ehepaar, die sind gemeinsam gegangen, nachdem ein Partner schwer krank geworden ist.
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Hi, ich verstehe Deine Bedenken. Vielleicht ist das Wort Freitod weniger beängstigend.
Vorher wird niemand sagen können, wie er sich bei schwerer Krankheit, wenn die Schmerzen nicht mehr auszuhalten sind, letztendlich verhält.
Diesen Gedanken nicht zu verdrängen, sondern ihn einmal durchzuarbeiten, egal, wie die Entscheidung dann ausfällt, finde ich richtig und wichtig.
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Da stimme ich Dir zu, Auseinandersetzen sollte man sich damit schon, damit man selbst Klarheit hat und die Angehörigen auch.
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