abc-Etüde 49.50.18(2)

Schreibeinladung für die Textwoche 49.50.18 | Wortspende von Elke H. Speidel

Die neuen Wörter für die Textwochen 49 und 50 des Schreibjahres 2018 stiftete Elke H. Speidel von Transworte auf Litera-Tour. Sie lauten:

Winterbaum
nasskalt
nachtrauern

 

Carla (2)

Carlas zuständige Ärzte handelten überlegt, was bei der Diagnose des rasend schnellen Zellwachstums zu begrüßen war, und nach  mehreren Besprechungen im Brustzentrum bekam sie  eine Liste mit all ihren Terminen. Erst eine Chemotherapie, danach eine Brust erhaltende OP nach erfolgreicher Verkleinerung des Zellherdes, anschließend eine Bestrahlung und zum Schluss eine onkologische Rehamaßnahme – alles in allem über einen Zeitraum von etwa acht Monaten. Ohne Netz und doppelten Boden, nur im Vertrauen auf den erfolgreichen Ablauf einer Studie, deren Medikamente auf ihr spezielles Krankheitsbild zugeschnitten waren.

Hatte sie eine Wahl?

Carla wollte leben und hatte keine Zeit, ihrer Arbeit, ihren KollegInnen und Schülern nachzutrauern. Sie setzte sich mit der Schulleitung zusammen und regelte die Aufteilung ihrer Kurse und Klassen und die Möglichkeiten der Vertretung.

Ihr geschmückter Winterbaum schien ihr immer wieder zuzunicken, wenn sie ihn betrachtete, zweifelte, ihre Tränen hinunterschluckte und ihre Ängste beiseiteschob.

Die nasskalten Dezembertage hatten den Garten mittlerweile in eine winterliche Idylle verwandelt und überall leuchteten Lichter, die Carla daran erinnerten, dass ihr schwerer Weg, deutlich aber hell, vor ihr lag.

Carlas geschiedener Mann Heiner stand eines Abends kurz vor Weihnachten mit einem Koffer vor der Tür und ließ sich nicht abweisen, Carla über die Feiertage zu bekochen, zu verwöhnen und ihr in diesen schweren Zeiten zur Seite zu stehen. Als am Heiligabend Carlas Tochter Josefine mit ihrem Freund Leo und der kleinen Enkeltochter Lea vor der Tür stand, ließ Carla alle Bedenken und ‚wenns und abers’ fallen und freute sich auf ein paar ruhige Tage mit ihrer Familie, die trotz aller Differenzen und Uneinigkeiten jetzt wie Pech und Schwefel zusammenstand.

Auch, wenn ihr eher nach Alleinsein und Seelenpflege zumute war, genoss sie die Ablenkung und lernte sogar durch Leas zauberhafte kindliche Art, wieder herzhaft zu lachen.

Sie ging dem neuen Jahr mit einer gehörigen Portion Optimismus entgegen.

300 Wörter

© G. Bessen

 

Fortsetzung morgen …

 

 

12 Kommentare

  1. Pingback: Schreibeinladung für die Textwoche 51.52.18 | Wortspende von dergl | Irgendwas ist immer

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