abc-Etüden 43.44.18

Die neuen Wörter für die Textwochen 43 und 44 des Schreibjahres 2018 stiftete Bernd von redskiesoverparadise.

Eingeladen hat, wie immer, Christiane.

Sie lauten:

Pfründe (Erklärung für alle Fälle: Wikipedia, Duden)
mondän
lassen.

Lebensträume

Schon als kleiner Junge hatte er davon geträumt, später mal auf einer prächtigen Burg zu wohnen und es sich gut gehen zu lassen. Besonders an den Abenden, an denen er hungrig im Bett lag und sein Vater das wenige verdiente Geld lieber ins Wirtshaus getragen und dort versoffen und anschließend die Mutter verprügelt hatte, wurde dieser Gedanke zu einer so beherrschenden Idee, die ihn mit vierzehn Jahren aus dem Haus und auf die Straße trieb.

Er schlug sich mit etwas Arbeit hier und dort durch, durchquerte dabei ganz Europa und wurde zu einem jungen und nicht unattraktiven Mann.

Die Frauen lagen ihm zu Füßen, reiche und arme, aus allen Bildungsschichten, ja, sie rissen sich förmlich um ihn, dem attraktiven Gesellen, der nichts wirklich gelernt hatte und immer von der Hand in den Mund gelebt hatte.

Die richtige Frau hatte er noch nicht getroffen, obgleich er an Frauenbekanntschaften nun wirklich keinen Mangel hatte und manchmal froh war, wenn er sein Haupt alleine auf irgendeine billige Herbergspritsche betten konnte.

Doch sie würde kommen, die Prinzessin aus dem reichen Adelsgeschlecht, die ihn für würdig erachtete, um ihre Hand anzuhalten.

Keinen Hunger mehr erleiden und sich keiner Armut mehr zu schämen – dieser Gedanke trieb ihn an, jeden Morgen aufzustehen und sich seinem legalen und oft auch illegalen Tagewerk hinzugeben.

Er hatte sich bestens auf seine Rolle vorbereitet, denn auch ein Taugenichts war lernfähig und konnte sich Bildung und Manieren aneignen. Wenn er erst einmal zu Höherem aufgestiegen war, denn dazu fühlte er sich berufen, in einem Schloss mit mondänem Glanz und von seinen Pfründen lebend, hätte er die Genugtuung und den Ausgleich für seine bittere und verpfuschte Kindheit.

Kinder würde er jedenfalls nicht in diese verrückte Welt setzen, in der sich jeder selbst der Nächste zu sein schien.

294 Wörter

© G. Bessen

 

23 Kommentare

  1. Das sind die Träume … die leider meistens nichts werden und doch wünsche ich es ihm. Noch lieber allerdings ist mir die Vorstellung von einer Welt in der es die extreme Armut und den extremen Reichtum nicht mehr gibt!
    herzliche Grüße sende ich dir, liebe Anna-Lena,
    Ulli

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  2. Solange er keinem schadet … was ist schlecht daran, sich auf diese Art und Weise durchs Leben zu schlagen und dem Glück hinterherzuträumen? Es ist gut und gleichzeitig schade, dass er dem Leben nicht so weit vertraut, mit der „Richtigen“ Kinder haben zu wollen, aber andererseits, wer kann es ihm verdenken?
    Schön, dass du dabei bist, und dieses Mal so früh!
    Abendgrüße
    Christiane

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  3. Einer, der auszog, sein Glück zu finden und ich hoffe von Herzen, es wird ihm gelingen.
    Es muß ja nicht unbedingt eine Burg mit Burgfräulein sein, vielleicht tuts ja eine reiche Erbin, die ihn an ihren liebenden Busen drückt und anschließend davon überzeugt, daß sie beide unbedingt Kinderchen miteinander haben müssen 🙂

    Liebste Grüße von Bruni an Dich

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  4. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 45.46.18 | Wortspende von Wortgerinnsel | Irgendwas ist immer

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