Die Wörter für die Textwochen 41 und 42 der abc-Etüden im Jahr 2018 spendete Gerda Kazakou.
Sie lauten:
Genuss
skrupulös
schneiden.
Vorsorgemaßnahmen
Als Trude ihrer Familie erklärte, dass sie nach ihrem Ableben zur Körperspenderin würde und dafür selbst noch die Kosten für die Überführung, Einäscherung und Beisetzung übernähme, wurde es ganz still im Wohnzimmer.
Trude war immer schon sehr eigenwillig gewesen. Gerade hatte sie erfolgreich einen drohenden Darmverschluss per Operation überstanden und blickte mit Genuss auf ein bisher erfülltes vierundachtzigjähriges Leben zurück.
So manches Mitglied dieses österreichischen Familienclans hatte sich in der Vergangenheit ‚in den Finger schneiden’ müssen, denn Trude dachte laut, egal, wo sie war und welche Menschen um sie herum waren und Trude machte, was sie wollte, unbeeindruckt davon, was andere davon hielten.
Man konnte allerdings auch nicht behaupten, dass sie vorschnelle Entschlüsse fasste, im Gegenteil, sie plante skrupulös alles, was sich um ihr Leben drehte. Und nach ausführlicher Planung erfolgte die Umsetzung und das Reden darüber.
Bevor die Stille im Raum von den anderen Familienmitgliedern beendet würde, hob sie zu einem ausführlichen Vortrag an, wie sehr sie der Medizin und besonders den Studentinnen und Studenten in der Ausbildung in puncto Lehre und der Kenntnis anatomischer Grundkenntnisse zur Seite stehen könnte, neueste Operationstechniken an ihr erlernt werden könnten und sie würde nicht einmal Schmerzen verspüren. Der Witz kam natürlich nicht an, denn Sohn Walter erboste sich darüber, dass ein Geschenk an die Wissenschaft auch noch eigenfinanziert werden müsste und eine Beisetzung dessen, was mal übrig blieb und entsprechend präpariert würde, erst ein bis drei Jahre später erfolgen könne.
Trotz der abendfüllenden und hitzigen Diskussion war alles unter Dach und Fach, denn Trude hatte bereits vertraglich alles mit dem anatomischen Institut der Universitätsklinik München geregelt, unterschrieben und bezahlt.
Die einzige Unbekannte in diesem Drama um Leben und Tod war der Tag ihres Ablebens und in welcher Form das geschehen würde, denn nicht alle Todesarten garantierten einen attraktiven Leichnam für Forschungszwecke.
299 Wörter
© G. Bessen
Eine mutige Entscheidung, sich über die Wünsche aller hinwegzusetzen, aber sie bestimmt über sich, es ist ihr gutes Recht.
Ein heikles Thema dennoch.
Liebe Grüße
Christiane
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Eine Verwandte meines Mannes hat es so gemacht.
Ja, mutig war es.
Liebe Grüße zu dir!
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Hört sich so an, als seiest Du durch den Geist der Christiane Hörbiger inspiriert worden. Das wäre ganz ihr Stil!
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Diese Geschichte ist im Kern wahr und in unserer eigenen Verwandtschaft vor einigen Jahren so passiert.
Aber deine Verbindung zu Christiane Hörbiger kann ich bestens verstehen. Sie ist eine großartige Schauspielerin.
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ein wenig makaber ist die Vorstellung ja doch, besonders wegen des abschießenden Satzes.
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Das hast du nun davon, wenn du solche Wörter auf die Reise schickst … 🙂 .
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Auch wenn man sich das lieber nicht vorstellen mag, was wäre die Forschung ohne solche „SpenderInnen“!
Einen lieben Gruss ins Heute,
Brigitte
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So ist es, liebe Brigitte. Mein Lebensplan wäredas nicht, aber ich glaube auch, dass Wissenschaft und Forschung und somit die Menschheit davon profitieren.
Einen sonnigen Gruß in den Freitag,
Anna-Lena
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puuuh, was für eine Geschichte, liebe Anna-Lena.
Klasse geschrieben und sehr nachdenkenswert.
Aber für mich weiß ich eines. Da wird nicht herumgeschnippelt,
ich bleibe wie ich bis zur letzten Minute meines Erdenlebens war, auch wenn es nicht zeitgemäß sein sollte und der Wissenschaft nichts nutzt …
Doch ich bewundere einen solchen Entschluß und würde mich immer dem letzten Willen eines Menschen beugen, egal, wie ich es für mich will.
Danke für diese Denkanstöße!
Ganz herzlich, Bruni
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Liebe Bruni,
das darf und sollte jeder so entscheiden, wie er es für sich richtig findet.
Wir waren damals auch entsetzt über diesen Wunsch von Trude, auch, dass sie dafür noch selbst etwas zahlen sollte, aber sie hat es gemacht und ich habe im Stillen oft den Hut gezogen.
Ich selbst möchte in einer Biourne an irgendeinem Baumstamm im Friedwald ruhen, das wäre zum jetzigen Zeitpunkt so meine Vorstellung.
Liebe Grüße zu dir,
Anna-Lena
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Die Biourne im Friedwald gefällt mir auch, aber ich möchte ja nicht mal verbrannt werden *lächel*
Liebste Grüße an Dich, Du Liebe
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Wir haben so einen Friedwald in unserer näheren Umgebung, allerdings sind die Bestattungen dort auch die teuersten überhaupt. Noch – so hoffe ich – haben wir ja Zeit, abzuwägen und zu entscheiden, liebe Bruni.
Liebe Grüße auch dir!
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