Lebensabschnitte (9) Mitteilungsbedürfnisse

Mitteilungsbedürfnisse

Ein Kloster ist ein Ort der Stille und der Disziplin. Doch genau das fällt pubertierenden Mädchen mit einem ausgeprägten  Mitteilungsbedürfnis sehr schwer. In unseren  Schlafsälen herrschte – zumindest vordergründig und offiziell – Ruhe, nachmittags in den Klassenräumen beim „Studium“ selbstverständlich  auch und beim Essen am Samstag Abend sollten wir uns auch in Stille auf den bevorstehenden Sonntag vorbereiten. Das war das schwierigste Unterfangen.

Uli und ich waren daher immer auf der Suche nach Ecken, in denen wir ungehindert unserem Mitteilungsbedürfnis nachkommen konnten. Eines späten Abends schlichen wir auf ein stilles Örtchen mit drei WC-Kabinen und einem Waschbecken, das wir neu entdeckt hatten. Wir setzen uns im Bademantel auf die niedrige Fensterbank, die breit genug und wie gemacht für uns schien und quatschten, was das Zeug hielt. Mit der schummrigen Deckenbeleuchtung fühlten wir uns sicher – bis die Tür schwungvoll aufgerissen wurde.

Im Türrahmen stand unsere Geschichtslehrerin, den sie mit ihrer Körperfülle fast einnahm. „Was machen Sie denn hier?“, donnerte sie uns entgegen. Sie bestand darauf, uns ab der 7. Klasse zu siezen und wir waren in der siebten Jahrgangstufe. „Ulrike war schlecht, deshalb verließen wir den Schlafsaal.“ Bei soviel spontaner Ausrede biss Uli sich sogleich auf den weißen Gürtel ihres weiß-rot-karierten Bademantels um nicht lauthals zu lachen. „Aber Sie können doch nicht in dieser stickigen Kloluft (O-Ton) hier sitzen.“ Klar, zumindest hätten wir das Fenster öffnen können, das wäre glaubhafter gewesen. Schwester S. machte sich scheinbar ernsthafte Sorgen um Uli und geleitete uns schwesterlich zum Schlafsaal zurück. Sie konnte sich gar nicht von Ulis Bett lösen. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück ertönte Schwester F’s. Handglöckchen. Das konnte eine Ansage für den Tag bedeuten, aber auch das „Antreten“ einzelner Schülerinnen.   Wir beide mussten antreten und wiederholten unsere Geschichte vom vorigen Abend (un)wahrheitsgemäß. Auch sie fragte Uli besorgt, ob es ihr denn wieder besser ginge und beim nächsten Mal sollten wir sie doch unbedingt wecken, wenn etwas sei und nicht einsam und allein durchs Haus schleichen.

Bei unserer – wie wir meinten – glorreichen Entdeckung hatten wir vergessen, dass einige der Lehrerinnen innerhalb des Hauses umgezogen waren und uns von ihrem Zimmer aus gemütlich dort sitzen sahen. Oh, lieber Gott, erhalte uns die Ausreden!!!

Ich sage meinen Schülern immer, sie können alles machen, nur erwischen lassen dürften sie sich nicht. Warum hat uns das früher niemand gesagt?

19 Kommentare

  1. Toll geschrieben. Die Ausrede war klasse. Mein damaliger Klassenkamerad im Internat und ich haben uns auch mal verdrückt , weil wir keinen Lust hatten auf den Abentlichen Vortrag. Man hat uns erwischt und es gab einen Eintrag ins Internatbuch. Das mußte am Wochenende von den Eltern unterschrieben werden. Da brauchten wir auch eine gute Ausrede. L.G.

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  2. Oh ja, in Internaten muss man sich schon stille Örtchen suchen, um nach Herzenslust zu quatschen. 🙂 Dabei sind gerade diese Gespräche so wichtig.
    Liebe Grüße von der Gudrun, die ihre stillen Örtchen im alten Schloss anno dunnemals auch immer gesucht und gefunden hat.

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  3. Na, ihr beide seid ja auch mit allen Wassern gewaschen gewesen! Über das Internatsleben kann ich mich leider (oder zum Glück!?) nicht auslassen. Das blieb mir als Externer ja verschlossen.

    Wir von außerhalb hatten immer den Eindruck, dass die Internatsschülerinnen sich als etwas Besonderes sahen, einfach höher gestellt. War das bei euch auch so. Oder ist das bayernspezifisch?

    Übrigens hier – ein herrlicher Morgen!

    Liebe Grüße, Brigitte

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    • Als etwas Besonderes haben wir uns nicht gesehen, wir waren ja alle Interne. Und wir waren auch in diesem Klosterdorf (es gibt auch ein Männerkloster, das zeitgleich ein Jungeninternat hatte) etwas isoliert. Kontakt zu dem Jungeninternat hatten eigentlich nur diejenigen, deren Brüder da untergebracht waren.
      Ob das bayernspezifisch ist, kann ich nicht beurteilen.
      Hier ist der Frühling wieder vorbeigezogen, es ist grau und nieselt…

      Liebe Grüße
      Anna-Lena

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  4. Liebe Anna-Lena,

    oh man, DAS war d.i.e Show !!

    Der Leserschar dieser Seite möchte ich noch folgende Begebenheit zu d.i.e.s.e.r „Aktion“ zum Besten geben:

    Vorher bitte noch einmal das obige Foto zu dieser Geschichte anschauen….

    Also: Anna-Lena und ich gingen dann ganz brav wieder in Richtung unseres Schlafsaals.
    LEIDER (ver)folgte uns- wie Anna-Lena bereits erwähnt hat- diese Schwester, war sie doch über mein „Unwohl“ -Sein besorgt.
    Aufgrund ihres Alters UND der Körperfülle (sie war einfach nur zu klein…) ging sie natürlich bedeutend langsamer als wir.

    Soll heißen : Anna-Lena und ich legten auf dem Flur (ebenso lang wie d.e.r auf dem obigen Foto) einen derart „jugendl. SPRINT“ hin (nix mit „sittsamer“ Gangart..) , da wir uns vor Lachen nicht mehr halten konnten.
    Anna-Lena hatte sich vor lauter Not ein Taschentuch (das Tempo war noch nicht erfunden !) in den Mund gesteckt…. ich s.e.l.b.s.t kaute ja bereits im Mund auf dem langen Gürtel meines rot-weiß-karierten Morgenmantels…
    Durch meine ohnehin zugestopfte Mundhöhle, habe ich Anna-Lena noch mit „letzter LUFT“ verdeutlichen können, dass unsere Geschichtslehrerin uns folgt…… !
    JA, sie „verfolgte“ uns tatsächlich bis auf den Schlafsaal…
    sprich : sie ging erst wieder von dannen, nachdem sie sich davon überzeugt hat, dass ich wohlbehalten im Bett liege.

    Und Anna-Lena lag in ihrer „heimeligen Behausung“ (sie „wohnte“ auf dem Schlafsaal direkt re. neben m.e.i.n.e.r ) und konnte sich weiter dem Lachen HINgeben….

    Als die Luft dann endlich wieder „rein“ war, gab ich Anna-Lena mittels unseres Klopfzeichens eben d.i.e.s.e INFO weiter…

    Am nächsten Tag stand auf unserem Stundenplan „Geschichts-Unterricht“….
    Nach dem obligatorischen Gebet (vor j.e.d.e.r Unterrichtsstunde) hat sie mich dann gefragt, ob es mir denn nach unserem gemeinsamen „Treffen“ besser gegangen sei ??

    In der Hoffnung, dass sie mich in der heutigen Stunde „in Ruhe“ lässt, habe ich doch tatsächlich „kackfrech“ geantwortet bzw. geLOGEN…:
    „Ich musste mich zwar noch einmal übergeben, aber danach bin ich endlich eingeschlafen….!“

    Der Rest unserer Klassengemeinschaft kam nun ins Grübeln… WAS es mit d.i.e.s.e.r Frage auf sich hat.

    Noch HEUTE lachen Anna-Lena und ich uns darüber „kringelig“…
    aber…… wir sind uns mittlerweile auch bewusst, dass wir dieser Schwester doch einiges zugemutet haben:
    Sie musste schließlich erst von ihrem Wohnbereich hin zu unserem „stillen Örtchen“ marschieren …Treppe runter… auf dem langen Flur entlang…. zum besagten „Örtchen“ wieder einige Stufen hoch… ; Stufen wieder runter bis zu unserem Schlafsaal…. und die ganze Weg-STRECKE wieder zurück zu ihrem Zimmer……. und d.a.s nicht im „jugendl. Sprint“….

    WAS Anna-Lena und ich uns noch h.e.u.t.e fragen : wenn alle unsere Klassenkameradinnen tief und fest schliefen, waren wir öfter mal „auf Achse“ (natürlich NICHT jeden Abend..) !
    Keine hat je was mitbekommen… !

    Ich frage hier mal ganz offen und ehrlich:

    Ist es denn nicht langweilig, wenn man immer nur soooooooo brav ist, wie die restl. „Schar“ unserer Klasse????????????

    LANGEWEILE hatten Anna-Lena und ich daheim genug…..

    LG Uli

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    • Liebe Uli,
      meinst du, wir haben ihr zuviel zugemutet? Jeder Gang macht bekanntlich schlank 😆 . Sie hätte uns ja einfach da sitzen lassen können. Im Übrigen hat sie keine bleibenden Schäden zurückbehalten, sie hat nach uns noch einige Schülerinnengenerationen unterrichtet 😉 .
      Da soll mal jemand behaupten, wir wären nicht behütet gewesen. Selbst der kleinste Übelkeitsanfall wurde bemerkt und mit viel Hingabe behandelt und wenn es intensiver Zuspruch war 😆 .

      Ich grüße dich herzlich zurück,
      Anna-Lena

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      • Liebe Anna-Lena!

        Aber während meiner wahrhaft durchlittenen „Übelkeit“ (im Sommer -zwei Jahre später) = für die Leserschar dieser Seite: ich litt unter einer handfesten Nierenkolik , hast DU Dich ganz alleine- mittlerweile war es finsterste Nacht- auf die Socken gemacht, um Hilfe zu holen….. erinnerst Du Dich noch, DU- mein rettender ENGEL in jener Nacht ?? !!!!!!!!!!!!!!
        Und am nächsten Tag „durfte“ ich mich aufgrund einer Nierenbeckenentzündung für 1 1/2 Wochen auf der Krankenabteilung des Klosters, die auch über ein Krankenzimmer für uns Schülerinnen verfügte, einquartieren mit verordneter strenger Bettruhe UND Besuchs-Verbot (galt damals vor allem den Lehrerinnen = das ist Tatsache !).

        Auf DICH war auch in d.i.e.s.e.r Situation IMMER Verlass: DU hast mich dann halt „nächtens“ besucht !!
        Diese “ VISITATIONEN “ ließen mich zügiger genesen !!

        DANKE ! Uli

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  5. Mir scheint, es war ein sehr fürsorgliches Klosterinternat *lächel* und wie gut wart Ihr da aufgehoben, liebe Anna-Lena.

    Euer stilles Örtchen sprudelte über, aber es war nicht die Klospülung, sondern das Mitteilungsbedürfnis *lächel*

    Fensterbänke haben wohl für Kinder und Jugendliche eine magische Anziehungskraft, später läßt sie dann wieder nach 🙂
    Aber da fällt mir ein, daß ich manchmal beim Telefonieren auf einer sitze, sie ist nicht hoch in der Luft, sondern im Erdgeschoss *g* und ich kann dann ins Grüne hinaussehen.
    Ich glaube aber nicht, daß Euch beide das Grün und die schöne
    Aussicht interessiert haben. Auch das kommt ja später… *hüstel*

    Wie schön, daß Du Deinen Schülern und Schülerinnen einen solch guten Rat gibst *lach*. Sie werden danach guuuuuuuuut aufpassen, daß sie keiner mehr erwischt.

    Liebe Grüße zu Dir und eine geruhsame Nacht
    wünscht Dir Bruni

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