Nichts wie weg! (9)

Jose hatte ein opulentes Mahl mit kanarischen Spezialitäten gezaubert, das Valentina den Abschied von der Insel nicht leicht machte. Sie beneidete Nora um ihre neue Heimat, in der die Sonne ein ständiger Gast und der Winter ein Fremdwort waren. Sie bewunderte wieder einmal Noras Mut, alle Brücken hinter sich abgebrochen und irgendwo in der Fremde neu  begonnen zu haben, dazu mit einem Mann an der Seite, der besser gar nicht zu ihr passen konnte.

Der Abend verlief nicht wie ein Abschiedsabend, sondern harmonisch und ausgelassen, weil der Vino Tinto sein Übriges dazu beisteuerte. Thomas und Jose hatten sich in Männerthemen wie Autos und Sport vertieft und Nora und Valentina hatten noch genug Gelegenheit, auf der Terrasse alleine miteinander zu sprechen und ihre geheimsten Gedanken unbelauscht zu teilen.

„Wird es wieder so lange dauern, bis wir uns sehen?“ Sie schaute Valentina fragend an.

„Ich weiß es nicht, aber zum Jahresende komme ich sicher wieder – versprochen. Es war so angenehm, das Jahresende ohne den deutschen kalten Winter und den Weihnachtsrummel zu verbringen, das glaubst du gar nicht.“

„Und wenn ich dich früher bäte zu kommen? Ich brauche eine Patentante für meine Zwillinge, die im Juli kommen und getauft werden wollen. Und damit die Kinder nicht unehelich bleiben, werden Jose und ich auch  heiraten. Es soll ein großes Fest werden.“

Valentina blickte erst in Noras Gesicht, dann auf ihren minimalen Bauchansatz, der ihr bisher gar nicht aufgefallen war.

„Hättest du diese Neuigkeiten nicht etwas besser dosieren können, sozusagen als Alete-Häppchen???“

 Valentina brauchte einen Moment, um das eben Gehörte zu verarbeiten. Dann fiel sie Nora um den Hals. „Du Glückspilz! Ich freue mich so für euch!“

„Du bist die Erste, die das erfährt, behalte es besser noch für dich“, flüsterte Nora. „Im Februar kommen meine Eltern für vier Wochen und selbst die werden es erst dann erfahren. Aber du musst ja rechtzeitig deinen Urlaub planen und einreichen und auf meine beste Freundin kann ich zu so einem Ereignis nicht verzichten. Das verstehst du doch, oder?“

Es war schon gegen Morgen, als Valentina in ihr Zimmer ging. Es hatte keinen Sinn mehr zu schlafen. Sie duschte, packte ihre restlichen Habseligkeiten ein und lauschte von ihrem Balkon  den unergründlichen Geräuschen der Wellen zu. Es war, als sängen sie ihr ein Abschiedslied.

Thomas und sie nahmen ein kleines Frühstück ein, das Nora noch in der Nacht für sie vorbreitet hatte. Danach machten sie sich auf den Weg zum Busbahnhof.

Ihr Flug startete pünktlich. Auch Thomas hatte in der letzten Nacht kaum geschlafen und als die Maschine gegen Mittag auf dem kalten und schneebedeckten Berliner Flughafen Schönefeld landete, wurde sie sanft von Thomas geweckt. Ihr Kopf lag an seine Schulter gelehnt.

„Sind wir etwa schon da?“ Valentina riss ungläubig die Augen auf. „Ich habe vom Flug gar nichts mitbekommen.“ „Wie auch, du hast geschlafen wie ein Engel.“

Den Rest des Weges zum Kofferband und zum Ausgang legten sie fast schweigend zurück. Nur die  Luft knisterte voller ungesagter Sätze und ungestellter Fragen.

Thomas wollte den Bus in die Innenstadt nehmen, Valentina hatte sich für eine Taxe entschieden. Sie wollte nur nach Hause in ihr warmes Bett und sich die Decke über die Ohren ziehen, um richtig anzukommen. Sie hatte viel zu verarbeiten.

„Also dann,“ sagte Thomas, „ wir telefonieren, abgemacht?“

„Ja, wir telefonieren.“

Eine freundschaftliche Umarmung, ein Küsschen auf die Wange und beide gingen in entgegen gesetzte Richtungen davon. Valentina steuerte in Gedanken verloren auf den nächsten Taxistand zu. Ein freundlich blickender Wuschelkopf stieg aus und packte die beiden Gepäckstücke  mit Schwung in den Kofferraum.

„Man sieht sich im Leben immer zwei Mal“, hörte sie eine Stimme aus dem Fahrerraum, die ihr bekannt vorkam. „Aber heute gefallen Sie mir besser, Sie sehen erholt und guter Dinge aus.“

Valentina musste lächeln. Sie war wieder daheim.

Abflug

ENDE

 © G. Bessen 28.1.2014

39 Kommentare

  1. Na, das sind ja Neuigkeiten, die Freundin erwartet Zwillinge!
    Aber nun kommt erst mal der Rückflug, der Urlaub ist zu Ende…

    Das Ende klingt irgendwie spannend. Wie kann das sein, es ist doch ein Ende, oder ist es etwa der Anfang eines neuen Lebensabschnittes?

    Ich bin gespannt, ob da noch etwas kommt, liebe Anna-Lena

    Liebe Grüße von Bruni, die fast schon schläft und schnell noch mal zu Dir rein geblinzelt hat

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