Z – wie Zerreissprobe

Ihre schallende Ohrfeige traf ihn völlig unvorbereitet. Reflexartig riss er die Hand hoch und legte sie schützend auf seine brennende Wange. Sie starrten sich an, ungläubig, entsetzt  und fassungslos.

Sein Blick war vernichtend und ging ihr durch Mark und Bein. Sie wollte sich bei ihm entschuldigen, aber sie brachte kein Wort heraus.

 „Warum tust du das?“, fragte er kurz.

„Ich… weiß es nicht. Ich bin so wütend.“

Statt einer Antwort drehte er sich abrupt um. Sie hörte, wie er ins Badezimmer ging, den Wasserhahn kurz aufdrehte und sich wusch. Kurz danach schlug die Eingangstür ins Schloss.

Er war gegangen, ohne ein Wort.

Ihre Hände zitterten. Sie goss sich einen Kognakschwenker voll Weinbrand ein, setzte sich auf die Couch und starrte vor sich hin. Was war bloß in sie gefahren?

Das Zittern in ihren Händen ließ langsam nach und auch ihr Gehirn fing an, wieder zu arbeiten. Sie hatte eine Stinkwut auf ihn und auf sich.

Warum hatte sie nicht versucht, mit ihm zu reden?

Verloren schaute sie sich um. Sie konnte nicht einschätzen, wie es weitergehen würde. Wohin er gegangen war, konnte sie nur mutmaßen. Ihr fielen nur zwei Möglichkeiten ein, eine Kneipe, in der er sich nun volllaufen lassen würde oder er würde wieder zu ihr gehen.

Da war er wieder, dieser beißende Schmerz der Eifersucht, der seit Tagen an ihr nagte und das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Sie hatten sich vor zwei Jahren kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Eine leidenschaftliche Liebe, die große Opfer auf beiden Seiten forderte. Als beide die Lügereien und Heimlichkeiten nicht mehr ertrugen, kam die Wahrheit ans Licht.

Bea zog aus dem gemeinsamen Haus, das sie mit ihrem Mann Marc und der gemeinsamen Tochter Vivien bewohnte, aus und zahlte dafür einen großen Preis, sie musste auf ihr Kind, das bei seinem Vater blieb, verzichten. Marc hatte das Sorgerecht bekommen und sie musste mit den wenigen Wochenenden, an denen sie ihre Tochter bei sich haben durfte, zufrieden sein.

Pit traf es doppelt hart. Sein Sohn Daniel war erst drei Jahre alt und seine Frau Monika war im sechsten Monat schwanger. Für Monika brach eine Welt zusammen.

Ihre Liebe füreinander machte sie stark, mit diesen Verlusten wegen der Kinder zu leben. Sie suchten sich eine kleine gemütliche Wohnung und mit finanziellen Abstrichen, denn dazu fühlten sie sich moralisch ihren ehemaligen Partnern und Kindern verpflichtet,  führten sie ein  liebevolles harmonisches Leben. Sie lasen sich ihre Wünsche gegenseitig von den Augen ab, richteten sich in schweren Stunden gegenseitig auf und hatten manchmal Angst, dass das große Glück in ihren Händen von heute auf morgen zerrinnen könnte.

„Eines Tages werden wir dafür bezahlen, dass wir unsere Kinder im Stich gelassen haben“, sagte Bea oft und dachte dabei sehnsuchtsvoll an Vivien.

Alles war gut, bis vor vier Wochen.

Während Marc nichts mehr von Bea sehen und hören wollte und sich sehr schnell mit Beas bester Freundin getröstet hatte, gelang es Pit, ein entspanntes Verhältnis zu Monika aufzubauen. Die Kinder sollten nicht darunter leiden.

Marc spielte seinen Einfluss auf die sechsjährige Vivien  voll aus. Es kostete Bea viel Geduld und Liebe, das Bild der egoistischen Rabenmutter, das Vivien sich von ihrem Vater hatte einreden lassen, bei jedem Zusammensein wieder geradezurücken. Bea wusste, dass es nie eine Möglichkeit geben würde, mit Marc ein halbwegs entspanntes Verhältnis aufzubauen.

Wenn Pit zu Monika und den Kindern fuhr, versuchte Bea loszulassen und ihre übertriebene Eifersucht im Zaum zu halten. Sie redete ihm sogar zu, den Kontakt zu seinen Kindern zu intensivieren. Aber die Angst, er könne zu Monika zurückkehren, saß tief in ihr fest. Und Monika – sie würde ihn mit Kusshand zurücknehmen.

Vor vier Wochen hatte Pit abends angeblich ein Geschäftsessen. Das war in seinem Beruf nichts Außergewöhnliches. Bea verabredete sich mit ihrer Freundin Denisa für einen Kinobesuch. Sie hatten einen schönen unterhaltsamen Abend und wollten danach noch etwas Essen gehen.

Rechtzeitig, bevor sie das Restaurant betraten, entdeckte Bea ihren Pit – zusammen mit Monika. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

„Komm, lass uns woanders hingehen.“ Fast gewaltsam zog sie Denisa von dem Lokal weg.

„Dafür gibt es bestimmt eine ganz logische Erklärung. Lass uns reingehen. Gehe freundlich auf ihn zu und frag ihn einfach.“

„Das kann ich nicht, lass uns bitte gehen.“ Bea war leichenblass geworden und der Abend war gelaufen.

Beas Angst, Pit wieder an Monika zu verlieren, hatte sich wie ein giftiger Stachel in ihr festgesetzt. Sie reagierte zunehmend launisch und aggressiv. Pit verstand die Welt nicht mehr, er konnte sich aus Beas Verhalten keinen  Reim mehr machen.

Jedes Mal, wenn Pit später als normal von der Arbeit kam – und das passierte in letzter Zeit sehr häufig –  ging Beas Fantasie mit ihr durch. Sie malte sich in den schillernden Farben aus, dass Pit die späten Abendstunden zärtlich mit Monika verbrachte. Dass er regelmäßig über eine enorme Arbeitsbelastung klagte und am frühen Abend schon todmüde war, wenn er pünktlich kam, nahm sie nicht wahr.

Sie kippte sich erneut einen Kognak ein. Je mehr Alkohol sie trank, desto mutiger wurde sie. Sie griff zum Telefon und wählte Monikas Nummer. Sie hatten beide ein sehr distanziertes Verhältnis zueinander und sahen sich nur mal kurz, wenn Pit seine Kinder nach Hause brachte.

Monika schien schon geschlafen zu haben.  Bea hörte ein langgezogenes „Hallo“ am anderen Ende der Leitung.

„Hier ist Bea. Kann ich bitte Pit sprechen?“

Monika schien mit einem Mal hellwach zu sein.

„Machst du Witze? Wieso sollte Pit denn hier sein?“

„Ist er nicht?“, fragte Bea unsicher zurück.

„Er hat mein Bett vor langer Zeit mit deinem getauscht, wie du wohl weißt“, konterte Monika.

Bea schwieg und fasste sich an den schmerzenden Kopf.

„Bea, ist alles in Ordnung?“, Monika schien sich keinen Reim auf die Situation machen zu können und klang besorgt.

„Pit ist weg und ich dachte, er sei bei dir.“

„Zugegeben, er war in letzter Zeit oft hier. Ich hätte das alles sonst nicht geschafft.“

„Was geschafft?“, fragte Bea zögernd.

„Wir ziehen in zwei Tagen in den Schwarzwald. Ich habe dort endlich eine feste Anstellung bekommen. Ohne Pits Hilfe hätte ich die ganzen Formalitäten, die Rennereien  und die Organisation des Umzuges mit den Kindern nicht geschafft.“

Bea schwieg. Ihre Gedanken überschlugen sich.

„Bea, bist du noch da? Hast du davon etwa nichts gewusst?“.

„Doch, klar, das hat er mir erzählt. Entschuldige bitte, dass ich dich geweckt habe. Ich hatte da wohl etwas falsch verstanden. Alles Gute für euch, bis bald.“

Bea legte hastig den Hörer auf, schnappte sich ihren Mantel und zog los, um Pit zu suchen und sich zu entschuldigen. Und sie wusste, wo sie ihn finden würde – bei seinem besten Freund Rolf.

© G.B. 2009

24 Kommentare

  1. Dass eine Frau oder auch ein Mann, die so schnell ihre alten Verhältnisse hinter sich gebracht haben, um eine neue Beziehung einzugehen, auch sehr schnell zur Eifersucht neigen, ist sonnenklar, denn sie müssen ja denken: „Was ich selber denk und tu, das trau ich auch den anderen zu!“ – Hier scheint ja Bea vielleicht noch die Kurve zu kriegen und die neue Partnerschaft hat eine Chance – trotz Ohrfeige. – Fesselnd geschrieben!
    Liebe Grüße an dich von Clara

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  2. Wie einfach wäre vieles, würde man nur leichter darüber sprechen können…. dabei sind es doch meistens die Männer, die nicht reden… wer hier hätte zuerst den Mund aufmachen müssn/sollen… na ja, immer das gleiche Problem… Aber anscheinend haben sie die Kurve dann ja noch bekommen…

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